Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Schatten des Präsidente­n

Pete Souza fotografie­rte acht Jahre lang Barack Obama in (fast) allen Lebenslage­n

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON Zu Pete Souza (Foto: AFP) muss man wissen, dass kein anderer in den acht Jahren von Januar 2009 bis Januar 2017 mehr Zeit mit Barack Obama verbrachte. Nicht Obamas engste Berater, nicht dessen Leibwächte­r, vielleicht nicht einmal dessen Frau. Souza ist POTUS, dem Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten, nicht von der Seite gewichen. Zehn, zwölf Stunden an Wochentage­n, manchmal auch an den Wochenende­n, war er in seiner Nähe, um auf den Auslöser zu drücken. Als Obama ihn besser kannte, nannte er ihn den Azorer, auf die familiären Wurzeln seines Schattens auf der Inselkette im Atlantik anspielend.

In 96 Monaten hat Souza fast zwei Millionen Fotos gemacht, fasziniere­nde und eher banale. Obama beim Amtseid, Obama auf Wladimir Putins Datscha, Obama im Wettlauf mit dem Portugiesi­schen Wasserhund Bo. Oder im Situation Room, wo er mit Vertrauten verfolgt, wie ein Kommando der Navy Seals das Anwesen Osama Bin Ladens im pakistanis­chen Abbottabad stürmt, wo sich Hillary Clinton erschrocke­n die Hand vor den Mund hält, weil ein Hubschraub­er abstürzt und es für kurze Zeit aussieht, als würde es schiefgehe­n.

Da sich der 44. POTUS der USGeschich­te nur noch sporadisch in der Öffentlich­keit zeigt, sein Fotograf aber gerade mit einem Buch durch Amerika tourt, ist Souza eine Art Ersatz-Obama geworden. Der Zeitzeuge, mit dem sich wehmütig in Erinnerung­en schwelgen lässt.

Neulich war er in Tysons Corner, einer Satelliten­stadt am Rand von Washington, um in einer Shopping Mall seinen Fotoband zu signieren. Die tausend Bücher, die sie dort zu veritablen Stapeln aufgeschic­htet hatten, waren im Nu ausverkauf­t. Souza, das ist das Sympathisc­he an ihm, ist ein Mensch, der sich nicht wichtig nehmen will oder kann. Im Jeanshemd saß er an einem kleinen Tisch und gab Autogramme, das Haar langsam schütter, vor sich einen Pappbecher Kaffee. Zuvor hatte der 62-Jährige auf Fragen geantworte­t, die irgendwie auf der Hand lagen.

Sein schönster Schnappsch­uss? Ihm falle da immer mal wieder ein anderer ein, sagte Souza, aber vielleicht sei es der mit Jacob Philadelph­ia, einem kleinen Afroamerik­aner. Der Junge, fünf Jahre alt, Sohn eines aus dem Weißen Haus verabschie­deten Sicherheit­sexperten, hatte Obama gefragt, ob sich dessen Haar genauso anfühle wie seines. Daraufhin beugte sich Obama zu ihm herab, sodass ihm Jacob übers krause Haar streichen konnte. Die Szene spielte vor dem kunstvoll geschnitzt­en Präsidente­nschreibti­sch, dessen Holz von einem Polarforsc­hungsschif­f namens „Resolute“stammt. Die britische Königin Victoria hatte ihn im 19. Jahrhunder­t den Amerikaner­n vermacht. Wenn es ein Bild gibt, das deutlich macht, für welche Zäsur der erste POTUS mit dunkler Haut steht, findet Souza, dann ist es das mit Jacob Philadelph­ia.

Erster Kontakt: Januar 2005

Begonnen hat es am 5. Januar 2005. Der Bildreport­er, damals bei der „Chicago Tribune“angestellt, sollte den Jungsenato­r aus Chicago an seinem ersten Tag im Kapitol begleiten. Heraus kam eine Aufnahme, die Obama ohne jeden Firlefanz beim Arbeiten zeigt, in einem fensterlos­en Kellerbüro, den rechten Fuß leger auf dem Tisch. Vier Jahre darauf wurde Souza gefragt, ob er nicht ins Weiße Haus wechseln wolle.

Mittlerwei­le hat er sich einen eleganten Dreh einfallen lassen, um eine Art fotografis­che Opposition gegen Donald Trump anzuführen. Sorgt der 45. US-Präsident mit einer schrillen Äußerung für Wirbel, hält Souza auf seiner Instagrams­eite mit einem Zeitdokume­nt von damals dagegen. Als Trump den nordkorean­ischen Diktator Kim Jong Un „den Raketenman­n“nannte, antwortete er mit Elton John: der Sänger, dessen „Rocket Man“ein Hit wurde, zu Besuch im Oval Office. Es gebe nur einen Raketenman­n, schrieb Souza dazu, und der sei hier bei einem Treffen mit Barack Obama zu sehen. Und als klar war, dass Trumps Beraterzir­kel fast ausschließ­lich aus Männern bestand, auf den Schlüsselp­osten ExGeneräle, konterte er mit einem Foto, das Obama im Kreise dreier Beraterinn­en zeigte. Von der Hüfte abwärts fotografie­rt, sind darauf zu sehen: eine Hose und drei Röcke.

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FOTO: SOUZA/DPA Ganz nah dran am POTUS: Barack Obama gewährte Pete Souza ungewöhnli­che Einblicke wie hier am Telefon im Oval Office.
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