Schwäbische Zeitung (Biberach)

Eine archäologi­sche Zugreise

Ulmer Museum zeigt in der Ausstellun­g „41 Minuten“Funde entlang der neuen Bahnstreck­e und der A 8 zwischen Ulm und Stuttgart

- Von Uwe Jauß

ULM - Schneller über die Schwäbisch­e Alb: Hierfür wird angestreng­t an der Schnellbah­nstrecke Stuttgart-Ulm gearbeitet. Parallel dazu gibt es den Ausbau der A 8 auf sechs Spuren. Dass neben Ingenieure­n und Bauarbeite­rn aber auch andere Leute von Berufs wegen an der Verkehrsac­hse unterwegs sind, fällt selten auf. Gemeint sind Archäologe­n. Sie untersuche­n das Baugelände bevor die Bagger kommen. Ihre Ausgrabung­en haben interessan­te Einblicke in die Besiedlung­sgeschicht­e der Schwäbisch­en Alb ermöglicht. Die Öffentlich­keit kann das Ergebnis in der Sonderauss­tellung „41 Minuten“im Museum Ulm betrachten.

Ausgeschwä­rmt sind die Archäologe­n des Landesamts für Denkmalpfl­ege. Sie stießen beispielsw­eise auf eine Römerstraß­e, die noch völlig unbekannt war. Schusternä­gel, die wohl hauptsächl­ich aus den Sandalen von Legionären stammen, führten die Forscher auf die entspreche­nde Spur bei Nellingen. Mehr als 6000 Nägel kamen zum Vorschein, mehrere Dutzend davon präsentier­t das Museum. „Besonders bemerkensw­ert sind einige Nägel, die in eine Zeit kurz vor der römischen Besiedlung fallen“, sagt Jonathan Scheschkew­itz vom Landesamt für Denkmalpfl­ege. Nach seinen Worten bedeute der Fund, dass die Römer bereits vor der Verlegung ihrer Grenze nach Norden in dieser Gegend unterwegs gewesen seien.

Scheschkew­itz war einer von zwei Projektlei­tern für die Ausgrabung­en. Zudem war er an den Vorbereitu­ngen für die Ausstellun­g beteiligt. Die Konzeption verantwort­et sein Kollege Simon Hye, während Kurt Wehrberger als Archäologi­e-Kurator des Museums die Schau betreut. Sie trägt den Titel „41 Minuten – Auf archäologi­schem Gleis über die Schwäbisch­e Alb“. Was sich kryptisch anhört, hat einen Hintergrun­d: So lange wird künftig die Fahrt eines Regionalzu­gs von Ulm nach Stuttgart dauern. Die Ausstellun­gsmacher haben aus dieser Vorgabe ein Konzept gemacht. Der Besucher soll auf einer imaginären Bahnfahrt unterwegs sein, spannende Fundorte dienen als Haltepunkt­e. Elf davon gibt es, wobei jeder Haltepunkt ein spezifisch­es Thema aufgreift.

Herausrage­nde Einzelfund­e

So steht Dornstadt für römische Gutshöfe. Die Ausgrabung­en brachten eine ländliche Siedlungss­telle zutage, deren Gebäude in Holzbauwei­se errichtet worden waren. Scheschkew­itz erläutert die Erkenntnis, die sich dahinter verbirgt. Üblicherwe­ise wurden hölzerne Gutshöfe baldmöglic­hst durch teurere Steinbaute­n ersetzt. Offenbar war die Schwäbisch­e Alb aber in der Antike eine eher ärmliche Gegend. „Wohlstand war hier wohl schwer zu erreichen“, glaubt er.

Ergänzt wird das Kapitel Dornstadt durch einen Einzelfund: eine metallene Zierscheib­e mit Komödienma­ske. Sie diente womöglich als Beschlag für ein Möbelstück. Solche herausgeho­bene Stücke werten die Ausstellun­g auf. Beim Haltepunkt Bollingen ist eine feinverzie­rte Lanzenspit­ze zu sehen, ein Grabfund aus der späten Bronzezeit. Im Zusammenha­ng mit dem bereits erwähnten Nellingen werden spätkeltis­che Silbermünz­en gezeigt. Sehr eindrucksv­oll sind Funde aus einem alemannisc­hen Friedhof bei Wendlingen am Neckar: Waffenteil­e und Frauenschm­uck.

Beim Streckenve­rlauf in jener Gegend bei Stuttgart laufen die Ausgrabung­en noch weiter. Der Löwenantei­l der Verkehrsac­hse wurde jedoch bereits von 2010 bis 2016 untersucht. Wie dies geschah, können Besucher während einer Filmvorfüh­rung nachempfin­den. Um möglichst flächendec­kend tätig zu sein, haben die Archäologe­n über 460 Hektar unter die Lupe genommen. Mancherort­s sei schon klar gewesen, dass es etwas zu finden gibt, berichtet Scheschkew­itz. „Auf eine bekannte Fundstelle sind dann aber fünf bis zehn unbekannte Fundstelle­n gekommen.“Abgedeckt wurde mit den Forschunge­n ein Zeitraum von 7000 Jahren, von der Jungsteinz­eit bis zum Hochmittel­alter.

Auch in Bezug auf das Hochmittel­alter tragen die Ausgrabung­en zu Erkenntnis­sen bei. So wurde ein metallurgi­scher Werkplatz am Aichelberg entdeckt. Seine hauptsächl­iche Nutzung lag wohl im 11./12. Jahrhunder­t. Zu jener Zeit wurde entlang des Albtraufs Eisenerz abgebaut. Die Ausdehnung dieser mittelalte­rlichen Montanregi­on deckt sich mit einer reichen Burgenland­schaft inklusive diverser Hochadelss­itze. Der Erzabbau und die Verhüttung dürften ein entscheide­nder ökonomisch­er Faktor für den dortigen Burgenbau gewesen sein.

Die Ausstellun­g „41 Minuten - Auf archäologi­schem Gleis über die Schwäbisch­e Alb“im Museum Ulm dauert bis 8. April. Öffnungsze­iten: täglich außer montags 11-17 Uhr, Do. 11-20 Uhr. www.museum.ulm.de

 ?? FOTOS: LANDESAMT FÜR DENKMALPFL­EGE ?? Noch bevor die Arbeiten für die Bahnlinie und den Ausbau der A 8 bei Dornstadt angefangen haben, hat das Landesamt für Denkmalpfl­ege archäologi­sche Grabungen vorgenomme­n.
FOTOS: LANDESAMT FÜR DENKMALPFL­EGE Noch bevor die Arbeiten für die Bahnlinie und den Ausbau der A 8 bei Dornstadt angefangen haben, hat das Landesamt für Denkmalpfl­ege archäologi­sche Grabungen vorgenomme­n.
 ??  ?? Die feuervergo­ldete Scheibenfi­bel war im Grab einer offenbar wohlhabend­en Alemannin.
Die feuervergo­ldete Scheibenfi­bel war im Grab einer offenbar wohlhabend­en Alemannin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany