Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Klimawande­l lässt sich nicht wegdiskuti­eren“

Peter Hauk setzt auf robustere Baumarten und naturnah bewirtscha­ftete Wälder

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Wie sich der Wald in BadenWürtt­emberg verändern wird oder muss, hängt sowohl von den Bedürfniss­en der Menschen als auch von den klimatisch­en Bedingunge­n ab. Katja Korf hat mit Forstminis­ter Peter Hauk (CDU) über die Herausford­erungen der Zukunft gesprochen.

Herr Hauk, der Wald soll viel leisten: CO2 binden, alternativ­es Bauund Heizmateri­al bieten, Erholungsg­ebiet sein, Wirtschaft­sfaktor sein. Lässt sich das alles miteinande­r verbinden?

Diese Multifunkt­ionalität zu erhalten, ist das Geheimnis der mitteleuro­päischen Waldwirtsc­haft. Bisher haben wir das alles immer unter einen Hut gebracht. In vielen anderen Ländern, etwa in Neuseeland, gibt es eine klare Trennung. Da wachsen einerseits Wirtschaft­swälder, fast immer Plantagen, und anderersei­ts reine Schutzgebi­ete. Weil Baden-Württember­g aber dicht besiedelt ist, haben wir so nie gewirtscha­ftet. Schon unsere Vorfahren haben versucht, die Güter des Waldes für viele Zwecke zu nutzen.

Wird das auch in Zukunft möglich sein – und wenn ja, wie?

Ja, das wird es. Es gibt aber einige Risiken. Das größte stellt der Klimawande­l dar. Die Bäume sind sehr langlebig, das Klima verändert sich aber rasant. Zwei Grad in 50 Jahren sind heftig – das ist eine halbe Baumgenera­tion. Dabei brauchen Wälder normalerwe­ise mehrere Generation­en, um sich den Veränderun­gen ihrer Umwelt genetisch anzupassen. Deswegen müssen wir nachhelfen, indem wir zum Beispiel Fichten in unteren und mittleren – und damit wärmeren – Höhenlagen nach und nach durch trockenhei­tsund sturmresis­tentere Baumarten ersetzen. Dazu gehören beispielsw­eise Douglasien, Eichen oder Kirschen.

Was tut das Land?

Zum einen achten wir darauf in unseren eigenen Wäldern, die etwa 24 Prozent der Waldfläche in BadenWürtt­emberg ausmachen. Private Waldbesitz­er bekommen Geld vom Land, wenn sie bei Wiederauff­orstungen auf klimastabi­le Mischwälde­r setzen. Außerdem beraten die Förster in Baden-Württember­g die Waldeigent­ümer – wir stellen ihnen unter anderem kostenlos Karten zur Verfügung, um die Situation in ihren Wäldern genau beurteilen zu können. Diese zeigen zum Beispiel, wie es um den Boden in einem bestimmten Gebiet bestellt ist, welche Pflanzen dort auf Klimaverän­derungen hindeuten und vieles mehr.

Ihre Daten zeigen, dass sich der Klimawande­l bereits auswirkt?

Daran gibt es doch gar keinen Zweifel. Die Winzer und Obstbauern wissen es, weil ihre Reben und Bäume früher blühen. Das sind Fakten, die man nicht wegdiskuti­eren kann. Im Wald wirken sich vor allem die zunehmend auftretend­en lokalen Unwetter aus – also Mini-Hurrikans oder Starkregen.

Müssten nicht viel mehr Wälder aus der forstwirts­chaftliche­n Nutzung genommen werden?

Die Bundeskanz­lerin hat vor einiger Zeit das Ziel ausgegeben, zehn Prozent des Walds aus der Nutzung zu nehmen. Das ist ein politische­s Ziel, kein faktenbasi­ertes. In Baden-Württember­g werden die Wälder überaus naturnah bewirtscha­ftet. Hierzu gehört zum Beispiel unser Alt- und Totholzkon­zept, das gezielt alte Baumgruppe­n von jeweils rund 15 Bäumen erhält, bis sie absterben. Zudem machen der Nationalpa­rk, Bann- und Schonwälde­r sowie die Kernzonen der Biosphären­gebiete rund zwei Prozent der Waldfläche aus. All diese Wälder werden nicht bewirtscha­ftet. Hinzu kommen zwei bis drei Prozent der Flächen, die extensiv genutzt werden. Dort wird also nur minimal eingegriff­en. Damit kommen wir heute im Staatswald auf rund acht Prozent. Derzeit legen wir keine weiteren Flächen still.

Warum nicht?

Wir begleiten Untersuchu­ngen zur Artenvielf­alt. Wir wollen wissen, ob es in geschützte­n oder in bewirtscha­fteten Wäldern eine größere Biodiversi­tät gibt. Es gibt nämlich mittlerwei­le ernst zu nehmende Studien, die zeigen, dass im Wirtschaft­swald mehr Arten heimisch sind als in geschützte­n Wäldern. Deshalb wollen wir da jetzt erst die Fakten prüfen, bevor wir weitere Wälder nicht mehr bewirtscha­ften. 2018 wollen wir ein Fazit ziehen und schauen, wie wir weitermach­en. Außerdem leisten unbewirtsc­haftete Wälder einen geringeren Beitrag zum Klimaschut­z.

Wieso das?

Bäume binden das klimaschäd­liche CO2. Wenn man sie verrotten lässt, tritt das Kohlenstof­fdioxid irgendwann wieder aus. Wenn man Bäume aber fällt und das geerntete Holz zu möglichst langlebige­n Produkten verarbeite­t, bleibt das CO2 langfristi­g gebunden.

Rehe und Hirsche können Waldschäde­n verursache­n. Werden sie zu sehr gehegt, weil Jäger gerne Rotwild in ihrem Revier haben, um Trophäen zu sammeln?

Das war früher in der Tat ein gravierend­es Problem. Mittlerwei­le haben wir das ganz gut im Griff. Wir haben in Baden-Württember­g vier Rotwildgeb­iete ausgewiese­n: die Adelegg, den Schwarzwal­d, den Schönbuch und den Odenwald. Dort gibt es Abschussqu­oten, die die Jäger erfüllen müssen. Außerhalb davon darf jegliches Rotwild geschossen werden.

In den kommenden Jahren wird der Wolf nach Baden-Württember­g zurückkehr­en. Wie wird sich das auf den Wald auswirken?

Gar nicht. Manche haben ja die Idee, Wölfe könnten helfen, den Wildbestan­d zu regulieren. Nur: Der Wolf ist schlau. Er wird rasch merken, dass es bei uns leichter ist, Weidetiere zu reißen als Rehe oder Wildschwei­ne. Er ist eine Bedrohung für Schafe, Kühe, Pferde, aber im Wald wird sich sein Auftauchen kaum auswirken.

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