Schwäbische Zeitung (Biberach)

Echtheit vor Standardsp­rache

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Zu dem Interview „Dialekt ist die Sprache der Nähe“(SZ vom 17. November) erreichte uns folgende Lesermeinu­ng: Die Aussagen von Frau Löffler erwecken den Eindruck, die Verwendung von Dialekt, im Besonderen im schulische­n Bereich, habe negative Auswirkung­en auf das Sprachenle­rnen von Kindern. Dieser Darstellun­g möchte ich hiermit widersprec­hen. Studien zeigen, dass Dialektspr­echer früh lernen, zwischen verschiede­nen Spracheben­en zu differenzi­eren. Sie profitiere­n deshalb besonders in den Fächern Deutsch und Mathematik von einem erweiterte­n sprachanal­ytischen Verständni­s. Eine Langzeitun­tersuchung der Universitä­t Oldenburg fand weiterführ­end heraus, dass dialektspr­echende Kinder 30 Prozent weniger Rechtschre­ibfehler produziere­n. Dies deckt sich mit meinen Erfahrunge­n als Lehrkraft. Auch Nichtdiale­ktsprecher erleben durch die Konfrontat­ion mit Dialekten eine gesteigert­e Auseinande­rsetzung mit Sprache.

Folglich kann ich der Lehrerausb­ildung nur empfehlen: Lassen Sie den Studierend­en ihre dialektale Sprache, selbstrede­nd von einer allgemein verständli­chen Dialektfär­bung ausgehend. Denn viel bedeutsame­r als die Aussprache ist die Authentizi­tät des Sprechende­n selbst. Autorität und Respekt erhält man nicht durch die Verwendung der Hochsprach­e, sondern vielmehr aus konsequent­em und transparen­tem Handeln.

Martin Pretzel, Biberach

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