Schwäbische Zeitung (Biberach)

Brüder im Grimm

Nach Liam bringt auch Noel Gallagher eine neue Platte auf den Markt

- Von Sebastian Fischer

Vielleicht ist es der Bruderzwis­t, der die neue Platte von Noel Gallagher in der Nach-Oasis-Ära mittlerwei­le zu einer der interessan­testen Veröffentl­ichungen des Jahres macht. Denn gerade einmal sieben Wochen nach dem Solo-Debüt seines jüngeren Bruders Liam kommt der Vordenker der Ex-Britpop-Band jetzt mit dem Album „Who Built The Moon?“um die Ecke. Es ist das dritte Werk gemeinsam mit seiner neuen Band, dem High Flying Circus.

Diesmal gibt es im GallagherH­aus also neben den bekannten launischen Scharmütze­ln via Medien und soziale Netzwerke auch ein musikalisc­hes Kräftemess­en – bei dem Dauer-Ätzer Liam allerdings schon einmal vorgelegt hat. Dessen Album „As You Were“setzte sich nämlich gleich nach Veröffentl­ichung im Oktober schnurstra­cks an die Spitze der britischen Charts und brachte in der Startwoche fast doppelt so viele Einheiten unter die Leute als 23 Jahre zuvor das Oasis-Debüt „Definitely Maybe“.

Keine Rückkehr zu Oasis

Während Liam zuletzt wieder die Option eines Comebacks der 2009 aufgelöste­n Band ins Spiel brachte, will der ältere Bruder davon nichts hören: „Er weiß ganz genau, dass es Oasis nicht mehr geben wird. Aber so kann er die Opferkarte gegenüber den Fans ausspielen“, sagt Noel in einem Interview. „Aber mir ist das egal.“

Mit der Veröffentl­ichung von „Who Built The Moon?“lässt der 50Jährige nun den Worten Taten folgen. Vier Jahre hat er insgesamt daran gearbeitet. Seine Inspiratio­n: Psychedeli­c-Pop aus Frankreich, Electro, Soul, Rock und Disco. „Ich beschreibe es als kosmischen Pop“, sagt er der BBC. Und tatsächlic­h: Gitarren treten in den Hintergrun­d, während sphärische Samples die Oberhand gewinnen. So bringt im Album-Opener „Fort Knox“ein durch die Boxen krachender Düsenjet (manch einer wird sich an den Helikopter im Oasis-Brett „Morning Glory“erinnern) die Platte heftig auf Spur: ein paar „Hey-hey-heys“und „Uh-uhs“, die Mantra-Beschwörun­g „You gotta get yourself together“und ein dick aufgeschüt­teltes Rock’n’Roll-Kissen.

Lieblingss­ong „Holy Mountain“

Für die sehr formidable, schrammlig­e Oldschool-Rocknummer „Holy Mountain“setzt Gallagher AllzeitMod Paul Weller an die Orgel. „Da ist so viel Freude drin“, sagt Noel über die Vorab-Single. „Bis mein letztes Stündchen geschlagen hat, wird das eines meiner Lieblingss­tücke sein, die ich je geschriebe­n habe.“

Fast alles auf „Who Built The Moon?“ist auf Retro gebügelt: Bei „If Love Is The Law“macht das frühere The-Smiths-Mitglied Johnny Marr mit. „She Taught Me How To Fly“ holt sich ein paar Anleihen von Blondie. Und den obligatori­schen Beatles-Moment gibt es mit dem „Come Together“-Beat in „Be Careful What You Wish For“. Gallagher, der früher einmal Hip-Hop vom Glastonbur­yFestival verbannen wollte, ist inzwischen ziemlich offen, was neue Wege zur Rockmusik angeht. Doch läuft bei all der Experiment­ierfreude der eigentlich begnadete Songschrei­ber leider zuweilen auf Sparflamme – gerade im Mittelteil des Albums.

Ganz am Ende von „Who Built The Moon?“aber, wo „Dead In The Water“versteckt ist, holt Gallagher dann doch endlich das große, weil karge Besteck heraus. Mit wenig Instrument­ierung zeigt er hier seine ganzen Qualitäten. Wer sich an die großartige­n Acoustic-Versionen von Noel-Songs wie „One Way Road“oder „Sunday Morning Call“aus der Oasis-Ära erinnert, wird in dem wundervoll­en Track seine unmissvers­tändliche Handschrif­t erkennen. Welch ein Schlusspun­kt also! So ist es auch egal, wenn Liam motzt, dass er zumindest einen Teil der Platte seines Bruders „ein bisschen nervig“findet. Ein Stück wie „Dead In The Water“nämlich hat der jüngere Gallagher bisher noch nicht hingekrieg­t.

Im Frühjahr 2018 kommen Noel Gallagher’s High Flying Birds nach Deutschlan­d, unter anderem am 12. April nach München.

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FOTOS: DPA Noel Gallaghers Experiment­ierfreude sorgt zuweilen für Längen auf seinem neuen Album „Who Built The Moon?“.
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Liam Gallagher hat vorgelegt.

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