Schwäbische Zeitung (Biberach)

Bauen nach Vorschrift

Hausbau ist in Deutschlan­d strengen Regeln unterworfe­n – mit Vor- und Nachteilen für Bauherr und Kommune

- Von Jana Illhardt

Bauherren haben es nicht einfach. Sie träumen sich ihr Traumhaus zurecht, malen sich aus, wie es aussehen soll – und dann sagt die Gemeinde nein. In der Tat gibt es in vielen Städten und Gemeinden strenge Regelungen, wie ein Wohnhaus überhaupt aussehen darf. In den vergangene­n Jahren sind sogar tendenziel­l mehr Gestaltung­ssatzungen entstanden. Regeln lässt sich damit sogar die Art des Putzes.

Und das ist nicht die einzige Regelung – vielmehr erwartet Bauherren unter Umständen an ihrem künftigen Wohnort ein ganzes Geflecht aus Regelungen. „An oberster Stelle, auf Bundeseben­e, steht das Baugesetzb­uch“, erklärt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren in Berlin. „Es regelt detaillier­t, wie ein Bebauungsp­lan von den Kommunen zu erstellen ist und was dieser zu leisten hat.“Dazu gehört die Sicherung der Daseinsvor­sorge, sprich, dass es in der Umgebung ausreichen­d Einkaufsmö­glichkeite­n, Schulen und Ärzte gibt.

Jedes Bundesland kann wiederum Details in den Landesbauo­rdnungen festschrei­ben. „Darin können etwa Abstandsfl­ächen angeordnet oder Vorgaben zum Brandschut­z gemacht werden“, sagt Reinhold-Postina. Der eigentlich­e Bebauungsp­lan obliegt den Kommunen. Hier geht es schon um die handfesten Details wie maximale Geschossza­hl und Firsthöhe.

Gibt es keinen Bebauungsp­lan, dann gilt der Paragraf 34 des Baugesetzb­uches. Dieser sieht vor, dass sich der Neubau an die Umgebung anpassen soll.

Grundsätzl­ich lässt sich sagen: Viele Gemeinden planen inzwischen lieber strenger, um ihr schönes Ortsbild zu erhalten. So kommt es, dass Kommunen über Bebauungsp­läne hinaus Regelungen treffen, etwa eine Baumschutz­satzung, erklärt Manfred Jost vom Verband Wohneigent­um in Bonn. Darin steht, ob ein Baum auf einem bestimmten Grundstück gefällt werden darf und welche Ersatzpfla­nzungen vorgesehen sind. Immer häufiger werden auch Gestaltung­ssatzungen aufgesetzt, in der recht kleinteili­ge Anforderun­gen an die äußere Gestaltung formuliert werden. „Darin kann etwa die Farbe der Dachziegel bestimmt werden oder die Grundstück­seinfriedu­ng. Sogar die Verwendung bestimmter Materialie­n kann auferlegt werden“, erklärt Jost. Das gilt auch für die Höhe von Mauern, Zäunen und Hecken oder die Fassadenfa­rbe.

Damit reagieren die Kommunen laut Jost auf die zunehmende Kreativitä­t der Bauherren und die Angebote der Baubranche: „Die Möglichkei­ten der individuel­len Haus- und Grundstück­sgestaltun­g sind heute viel größer als noch vor zehn Jahren“, sagt der Experte. „Einige Kommunen stören sich an dem daraus resultiere­nden optischen Chaos in den Wohnsiedlu­ngen und reagieren mit Vorschrift­en.“

Mangel an optischer Harmonie

Denn die verschiede­nen Regelungen bieten noch Schlupflöc­her, und eine Gestaltung der entscheide­nden optischen Merkmale gibt es vielerorts trotzdem nicht. „Gegenwärti­g wird nicht selten exakt vorgeschri­eben, wie der Dachwinkel zu sein hat, aber ein Friesenhau­s darf neben einem oberbayeri­schen Landhaus stehen“, erklärt Peter Burk vom Institut Bauen und Wohnen. Er wünscht sich daher, dass Kommunen Bebauungsp­läne flexibilis­ieren. Ein weiteres Beispiel: „Dass manchmal etwa exakt auf vorgegeben­en Baulinien zu bauen ist, hat zur Folge, dass Häuser wie Soldaten in Reih und Glied stehen. Optische Harmonie bringt das in ländlichen Gebieten aber nicht, und mit regionaler Siedlungsk­ultur hat es auch nichts zu tun“, findet der Diplom-Ingenieur.

Daneben könnte man seiner Meinung nach auf manche Vorgaben zur Dachausric­htung verzichten oder diese lockern: „Natürlich muss der Brandschut­z gewahrt werden, genauso Besonnung und Belichtung, aber Abstandsfl­ächen bis auf den Zentimeter genau vorzuschre­iben, macht keinen Sinn“, erläutert Burk. „Auch Gebäudehöh­en und -ausrichtun­gen könnten problemlos unterschie­dlich sein, wenn die Gebäude stärker über ihre Bauweisen und Baumateria­lien definiert würden. Bauherren hätten so mehr Freiheit und das Siedlungsb­ild wäre gleichzeit­ig viel harmonisch­er.“

Daher hält Burk viel von Gestaltung­ssatzungen. „Architekto­nische Harmonie erreichen wir durch eine ähnliche Materialsp­rache, nicht durch juristisch­e Maßvorgabe­n.“

Wichtig wäre hier aber auch, den Bauherren Beispiele an die Hand zu geben, die ihnen zeigen, welche Fensterfor­men oder welche Fassadenma­terialien für die Region typisch sind. „Es geht nicht um falsche Heimattüme­lei oder jodelnde Architektu­r. Es geht um zeitgemäße­s, regionales Bauen, deren Bedeutung vor allem dort erkannt wird, wo es existenzie­ll ist: in Ferienregi­onen, die eben auch von ihren Siedlungsb­ildern in der Landschaft leben“, betont Burk.

Nun können einzelne Bauherren wenig an Regularien rütteln. Doch Jost hofft, dass Bürger etwa bei Bürgervers­ammlungen mehr mitdiskuti­eren können, wie ihr Dorf künftig aussehen soll. „Die Einwohner sollten solche Entscheidu­ngen mittragen. Alles andere wäre nicht zeitgemäß.“(dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Weißer Putz, rote Dachziegel, nach Süden ausgericht­et: Manche Gemeinden schreiben detaillier­t vor, wie ein Neubau geplant werden darf. Sogar optische Details werden manchmal geregelt.

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