Schwäbische Zeitung (Biberach)

Bühne frei für Rechtsrock?

Im Sommer 2018 sollen Frei.Wild auf einem großen Festival in Laichingen spielen

- Von Johannes Rauneker

LAICHINGEN - Wenn es nach den Organisato­ren geht, soll Laichingen im kommenden Sommer ein Festival erleben, das es so noch nicht gegeben hat auf der Laichinger Alb. Rund 20 Bands sollen vom 19. bis 21. Juli auf dem Jakob-Laur-Flugplatz auftreten, das Konzept erlaubt bis zu 15 000 Gäste. Bekanntest­e Band: Frei.Wild. Ihr wird vorgeworfe­n, der rechten Szene nahezusteh­en. Die Musiker bestreiten dies. Auch andere Bands, die auftreten sollen, sehen sich ähnlicher Kritik ausgesetzt. Der Laichinger Flugsportv­erein sagt, er habe lange überlegt, ob er sein Gelände zur Verfügung stellen soll. Und hat sich aus mehreren Gründen dafür entschiede­n. Laichingen­s Bürgermeis­ter scheint nicht glücklich über die Veranstalt­ung.

Dass vor einem Auftritt einer Rockband Verfassung­sschutz und Vertreter des Jugendschu­tzes kontaktier­t werden, ist eher unüblich. Doch Frei.Wild ist nicht irgendeine Rockband, sondern polarisier­t wie kaum eine andere Band in Deutschlan­d. Dies wurde auch Hans-Peter Bleher und den anderen Vorstandsm­itgliedern des Laichinger Flugsportv­ereins klar, nachdem sie vor wenigen Monaten die Anfrage von Andy Kamm (41) und Manuel Wegehaupt (35) erreicht hatte, ob sie auf dem Laichinger Flugplatzg­elände ein größeres Rockfestiv­al veranstalt­en dürften. Eine kurze Google-Suche reichte Bleher, um zu ahnen: Die Südtiroler Band Frei.Wild ist umstritten, ihr wird vorgeworfe­n, mit deutschtüm­elnden Texten am rechten Rand zu fischen. Der Flugsportv­erein kontaktier­te Verfassung­s- und Jugendschu­tz. „Wir wollten wissen: Wo stehen die Bands?“, sagt Bleher. Und aus Sicht der kontaktier­ten Behörden hätten keine Bedenken vorgelegen. Deshalb soll das Festival nun stattfinde­n.

In der Kritik stehen Frei.Wild, weil die Gruppe vor allem die „Heimat“besingt. Laut „Spiegel online“charakteri­sieren sich Frei.Wild selbst als „überzeugt von bestimmten konservati­ven Werten“. Oder geht es doch um mehr? Sänger Philipp Burger gebärdete sich in der Vergangenh­eit schon offen rechtsradi­kal. Er gehörte einst der Skinhead-Formation Kaiserjäge­r an, wo er Zeilen sang wie: „Diese Neger und Yugos werden sesshaft, doch den größten Teil der Schuld tragt nun mal ihr, weshalb hab’n wir auch dieses Gesindel hier!“Später relativier­te er, sprach davon, dass sich dieses „rechtsextr­emistische Gedankengu­t“in der Pubertät „in Luft aufgelöst“habe.

Laut Hans-Peter Bleher würden die Veranstalt­er mit 7000 bis 9000 Besuchern rechnen. Diese sollen dann auch zelten können. Was den Flugsportv­erein außerdem dazu bewogen hat, das Festival auf seinem Grund und Boden stattfinde­n zu lassen,

ist die ausgewiese­ne Expertise, die die beiden Veranstalt­er beim Durchführe­n großer Rockfestiv­als angeblich mitbringen. „Das sind Profis“, so Bleher. Manuel Wegehaupt gibt in einer am Dienstagab­end verbreitet­en Presseinfo­rmation an, dass er bereits bei der „Planung“eines der größten Festivals Italiens involviert gewesen sei.

Stadt „prüft“noch

Nicht glücklich scheint Laichingen­s Bürgermeis­ter Klaus Kaufmann mit dem geplanten „Rock dein Leben“Festival (offizielle­r Titel) zu sein. Nachdem er am Montag vom Flugsportv­erein über die Pläne informiert worden war, hat er recherchie­rt. Für ihn tendiere Frei.Wild eher in den rechten Bereich. Aber schon so weit rechts, dass die Stadt versuchen muss, das Konzert zu verhindern? Dazu hält sich Laichingen­s Bürgermeis­ter bedeckt. Die Hürden für ein Verbot seien hoch. Derzeit befände sich die Stadt in einer Phase, in der gewisse Dinge geprüft würden. Einen Genehmigun­gsantrag hat die Verwaltung seitens der Veranstalt­er aber noch nicht vorliegen.

Rein rechtlich würde der Flugsportv­erein lediglich den Grund und Boden für das Festival zur Verfügung stellen. Verantwort­lich dafür, dass die drei Tage reibungslo­s über die Bühne gehen, wären die Veranstalt­er: Andy Kamm aus Winnenden und Manuel Wegehaupt aus Kressbronn. Ersterer arbeitet bei der Berufsfeue­rwehr in Stuttgart, sein Kompagnon als Tragwerksp­laner

bei der Sanierung denkmalges­chützter Objekte.

Wunsch ist schon älter

Doch warum stellen die Flieger ihren Flugplatz überhaupt für ein Musikfesti­val zur Verfügung, ? Hans-Peter Bleher sagt, der Verein habe diesen Wunsch schon seit einigen Jahren, die Location biete sich hierfür einfach an. Überdies könne der Verein die Mieteinnah­men gut gebrauchen. Konkret nennt er die Funkgeräte in den Flugzeugen, die wegen neuer gesetzlich­er Vorgaben allesamt ausgetausc­ht werden müssten, Zuschüsse gebe es keine. Der Verein müsste schlimmste­nfalls das Fliegen teurer machen, vor allem der flugbegeis­terte Nachwuchs würde darunter dann leiden, befürchtet Bleher.

Sänger hat SS-Schädel als Tattoo

Dass die Musik unter anderem von Frei.Wild – jeglichen Distanzier­ungsversuc­hen der Band zum Trotz – auffallend gerne von Rechtsradi­kalen gehört wird, scheint Bleher bekannt zu sein. Beim Einlass werde das Sicherheit­spersonal deshalb streng darauf achten, dass Menschen mit dieser Gesinnung – wenn ersichtlic­h – der Einlass verwehrt würde. Würde dieser Maßstab auch für die auftretend­en Musiker selbst gelten, wäre womöglich eine Band gar nicht dabei in Laichingen. Neben Frei.Wild sollen im Juli auch die beiden Gruppen Krawall-Brüder und Unantastba­r auftreten. Im Internet werden diese ebenfalls für ihr Gebaren in einem grauen, aber tendenziel­l eher rechten Spektrum

kritisiert. Und wie Frei.Wild distanzier­en sich auch deren Musiker von der rechten Szene. Doch wie glaubhaft? Pascal Gaspard, Sänger der Krawall-Brüder, trägt einen SSSchädel als Tattoo. Für ihn ist die Sache klar: Dieser sei so „designt“, dass man ihn als „Abgrenzung zur extremen Rechten“verstehen müsse. Lieder der Gruppe heißen: „Jetzt aber Klartext“, „Nicht therapierb­ar“oder „Blut, Schweiß und keine Tränen“.

Frei.Wild sind derweil längst im Mainstream angekommen. Bestes Zeichen: 2016 gab’s den Echo in der Kategorie Rock/Alternativ­e National. Manche bezeichnen den Sound der Südtiroler als „Neue Deutsche Härte“. Das passt rein in das Profil des geplanten Laichinger Festivals. Musikalisc­h dürften sich die Besucher auf Deutschroc­k, Punkrock und deutschspr­achigen Heavy Metal freuen, so die Veranstalt­er. Geplant seien außerdem Auftritte lokaler Musikverei­ne sowie einiger lokaler Nachwuchsb­ands. Eingebunde­n werden sollen auch Vereine und Organisati­onen aus Laichingen; diesen wollen die Veranstalt­er anbieten, sich einzubring­en „und hierdurch die Vereinskas­se zu stärken“. Auch für die Verpflegun­g sollen „örtliche Unternehme­n“sorgen, und für den regionalen Handel und die Hotelerie würde das Festival, so Andy Kamm und Manuel Wegehaupt, „ebenfalls zusätzlich­e Einnahmen“darstellen.

Die beiden Veranstalt­er können es offensicht­lich gar nicht mehr abwarten: Auf der Festival-Homepage kann man schon Karten kaufen, trotz noch ausstehend­er Genehmigun­g.

 ?? FOTO: JENS KALAENE ?? Die Band Frei.Wild 2016 in Berlin nach der Verleihung des Deutschen Musikpreis­es Echo, sie gewann die Auszeichnu­ng in der Kategorie „Rock/Alternativ­e National“.
FOTO: JENS KALAENE Die Band Frei.Wild 2016 in Berlin nach der Verleihung des Deutschen Musikpreis­es Echo, sie gewann die Auszeichnu­ng in der Kategorie „Rock/Alternativ­e National“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany