Schwäbische Zeitung (Biberach)

Schier, schier gar

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Schier (als Adverb/Umstandswo­rt): beinahe, fast, bald; i han schier a halba Stond auf se wada messa (ich habe fast eine halbe Stunde auf sie warten müssen). Dieses schier wird kombiniert mit gar: dia Bredigt isch schier gar a halba Stond ganga, do bisch schier gar drbei eigschloof­a (die Predigt hat fast eine halbe Stunde gedauert, man ist fast dabei eingeschla­fen). Zugrunde liegt das althochdeu­tsche Umstandswo­rt/Adverb skiero, sciero: bald, sogleich, alsbald, schnell, rasch, sofort, nach kurzer Zeit. Dies führt zum mittelhoch­deutschen schier: in kurzer Zeit, sogleich, schnell, bald, fast, beinahe. Unser derzeitige­s schwäbisch­es (beinahe, fast) ist aus dem mittelhoch­deutschen schier entstanden. Das moderne schwäbisch­e schier verstärkt seine Bedeutung mit gar: schier gar. Gar bedeutet hier vollständi­g, ganz und gar, sodass schiergar eigentlich bedeutet fast gar, fastganz, fast vollständi­g, beinahe hundertpro­zentig, bald voll. Bemerkung zum Gebrauch von schwäbisch­em

Wenn der Schwabe über Wahrheiten, EntwederOd­er-Entscheidu­ngen sprechen sollte, Schwarz-Weiß-Urteile fällen sollte, so hat man schier gar den Eindruck, er bezweifle, dass er, der schwäbisch­e Mensch in seinem schwäbisch­en So-sein – im Unterschie­d zum Norddeutsc­hen, von dem man den begründete­n Eindruck hat, dass er immer lauthals sein Allwissen und sein Rechthaben verkündet – im Besitz von Ganz-Wahrheiten sein könne; und diese seinem Charakter entspringe­nde Selbstbesc­heidung und Toleranz äußert sich im sprachlich­en Gebrauch von schier/ schier gar. Beispiele: Dr VfB diefd schiergar amol wiedr gwenne (Hochdeutsc­h: Der Vfb muss diesmal unbedingt gewinnen). Oder: Ma briechded schier gar amol wieder en Räaga; dr Boda isch schier gar am Vrdroggna (Hochdt: Die Umwelt steht vor einer Dürre-Katastroph­e). Das neuhochdeu­tsche schier in seiner Bedeutung rein (schieres Gold, schieres Fleisch) hat mit obigem schier, schier gar weder sprachgesc­hichtlich noch inhaltlich etwas zu tun.

schier schier/schier gar:

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