Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein Orgelwerk für die Ewigkeit
Der Ochsenhauser Joseph Gabler baute in der Klosterkirche seine erste Orgel
OCHSENHAUSEN - Sie ist knapp 300 Jahre alt und erfüllt mit ihrem Klang noch heute die Mauern der Klosterkirche St. Georg in Ochsenhausen: die Gabler-Orgel mit ihren 47 Stimmen. Besonders jetzt, in der Adventszeit, dürften viele Menschen ihre Klänge hören. Seit dieser Woche zählen der Orgelbau und die Orgelmusik zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit, wie die Unesco mitteilte.
„Das ist eine große Auszeichnung für die Königin der Instrumente.“Dekan Sigmund F. J. Schänzle
„Das ist eine große Auszeichnung für die Königin der Instrumente“, sagt Dekan Sigmund F. J. Schänzle. Der leitende Pfarrer der Seelsorgeeinheit St. Georg Ochsenhausen-Erlenmoos verweist darauf, dass der Orgel schon immer eine besondere Bedeutung in der Liturgie zukam: „Die Orgel war nie nur als Ausstattungsobjekt einer Kirche gedacht.“Die Gestaltung des Kirchenraums für das Auge, der Weihrauch für die Nase und die Kirchenmusik in Gestalt der Orgel für das Ohr – so soll die Liturgie zu einem „ganzheitlichen Erlebnis“werden, so der Dekan. Orgelmusik sei im Gottesdienst obligatorisch, egal, ob als Begleitung des Gemeindegesangs oder bei instrumentalen Passagen. Schänzle sagt: „Es ist immer wieder ein Genuss aufs Neue, die Orgelmusik im Kirchenraum zu erleben.“
Vier Tastenreihen
Die Gabler-Orgel in der Klosterkirche zählt zu den bedeutendsten in Süddeutschland. Werk und Aufbau stammen von Joseph Gabler, der 1700 in Ochsenhausen geboren wurde. Zwischen 1728 und 1736 erschuf er das Instrument mit vier Manualen, also vier Tastenreihen – ein ungewöhnliches Werk zur damaligen Zeit. „Sie war zeitweise die größte Orgel in Süddeutschland und im österreichischen Raum“, sagt der Kirchenmusiker von St. Georg, Thomas Fischer. Der Rekord sei dann nach Weingarten weitergereicht worden, wo Gabler ebenfalls eine Orgel fertigte (siehe Kasten).
Ab 1751 verbesserte Gabler sein Werk in der Rottumstadt. Unter anderem dadurch, dass er einen freistehenden Spieltisch baute. Der Schreiner hatte offenbar eine Liebe zum Detail, zumindest zeugt davon das Ochsenhauser Wappentier, das an der oberen Kante vom mittleren Prospekt Die Gabler-Orgel in der Ochsenhauser Klosterkirche St. Georg zählt jetzt wie viele weitere Orgeln zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit.
erscheint, wenn der Organist ein bestimmtes Register zieht. Bei der Orgel in Ochsenhausen handelte es sich übrigens um Gablers Gesellenstück. Für Fischer ist heute nur schwer begreiflich, wie Gabler einen so großen Vertrauensvorschuss von der Abtei erhalten konnte: „Heute wissen wir: Er hat das Vertrauen voll erfüllt.“Neben der Gabler-Orgel gibt es in der Klosterkirche auch die HößOrgel, die nach Schänzles Auskunft im Jahr 1760 entstand: „Sie war für die Begleitung des Chorgebets der Mönche gedacht.“
Grenzen der Orgel austesten
Seit zweieinhalb Monaten ist Fischer Kirchenmusiker in Ochsenhausen, die Gabler-Orgel kannte er aber schon im Vorfeld seiner Tätigkeit.
Die Rottumstadt sei mit seiner Barockorgel weltweit berühmt, erläutert Fischer. Alltäglich ist das Spielen auf dem Instrument für ihn aber nicht: „Die Gabler Orgel ist aus der Barockzeit und damit anders zu spielen als moderne Instrumente.“Die nächste Zeit sei „für ihn sehr spannend“, auch, weil es für ihn gelte, „die Grenzen auszutesten“. Welche Musik geht auch noch nach der Barockzeit? Eine Frage, auf die der Kirchenmusiker bald Antworten finden möchte.
Laut Schänzle ist die Orgel ein Publikumsmagnet für Wissenschaftler entsprechender Fakultäten. „In diesem Jahr hatten wir etwa 40 Gruppen zu Besuch“, schätzt der Dekan. Spielen dürfen die Besucher aber nicht ohne Weiteres auf der Orgel. „Das Instrument
steht unter einem besonderes Schutz“, erläutert Fischer. So muss er den Musikern, die auf der Orgel spielen, eine Einführung geben und nach dem Spiel die Orgel wieder abnehmen.
Nicht jeder darf auf ihr spielen
Wer die Tasten bedienen darf, regelt ein sogenannter Orgelnutzungsvertrag. Diesen hat die Kirchengemeinde mit dem Land Baden-Württemberg geschlossen, weil die Kirchengemeinde Hauptnutzer der Orgel ist. Das Land ist im Besitz des Instruments. „Die Kosten für die Orgelwartung teilen wir uns hälftig mit dem Land“, erläutert Schänzle. Insgesamt zwischen 8000 und 9000 Euro fallen pro Jahr für die Instandhaltung an.
Vor Kurzem ging die Hauptstimmung über die Bühne. „Man musste nachstimmen, damit der Ton auch so herauskommt, wie man ihn anschlägt“, erklärt der Dekan. „Die Orgel braucht viel Pflege. Holz arbeitet eben.“Hand anlegen dürften nur zwei bestimmte Firmen. Diese Unternehmen waren es auch, welche die Orgel von 2000 bis 2004 aufwendig sanierten. So musste damals erst einmal der Zustand der Orgel genau untersucht werden, um eine Rekonstruktion des Zustands von 1753 zu ermöglichen. Fischer sagt: „Die Sanierung ist hervorragend gelungen.“