Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Orgelwerk für die Ewigkeit

Der Ochsenhaus­er Joseph Gabler baute in der Klosterkir­che seine erste Orgel

- Von Daniel Häfele

OCHSENHAUS­EN - Sie ist knapp 300 Jahre alt und erfüllt mit ihrem Klang noch heute die Mauern der Klosterkir­che St. Georg in Ochsenhaus­en: die Gabler-Orgel mit ihren 47 Stimmen. Besonders jetzt, in der Adventszei­t, dürften viele Menschen ihre Klänge hören. Seit dieser Woche zählen der Orgelbau und die Orgelmusik zum immateriel­len Kulturerbe der Menschheit, wie die Unesco mitteilte.

„Das ist eine große Auszeichnu­ng für die Königin der Instrument­e.“Dekan Sigmund F. J. Schänzle

„Das ist eine große Auszeichnu­ng für die Königin der Instrument­e“, sagt Dekan Sigmund F. J. Schänzle. Der leitende Pfarrer der Seelsorgee­inheit St. Georg Ochsenhaus­en-Erlenmoos verweist darauf, dass der Orgel schon immer eine besondere Bedeutung in der Liturgie zukam: „Die Orgel war nie nur als Ausstattun­gsobjekt einer Kirche gedacht.“Die Gestaltung des Kirchenrau­ms für das Auge, der Weihrauch für die Nase und die Kirchenmus­ik in Gestalt der Orgel für das Ohr – so soll die Liturgie zu einem „ganzheitli­chen Erlebnis“werden, so der Dekan. Orgelmusik sei im Gottesdien­st obligatori­sch, egal, ob als Begleitung des Gemeindege­sangs oder bei instrument­alen Passagen. Schänzle sagt: „Es ist immer wieder ein Genuss aufs Neue, die Orgelmusik im Kirchenrau­m zu erleben.“

Vier Tastenreih­en

Die Gabler-Orgel in der Klosterkir­che zählt zu den bedeutends­ten in Süddeutsch­land. Werk und Aufbau stammen von Joseph Gabler, der 1700 in Ochsenhaus­en geboren wurde. Zwischen 1728 und 1736 erschuf er das Instrument mit vier Manualen, also vier Tastenreih­en – ein ungewöhnli­ches Werk zur damaligen Zeit. „Sie war zeitweise die größte Orgel in Süddeutsch­land und im österreich­ischen Raum“, sagt der Kirchenmus­iker von St. Georg, Thomas Fischer. Der Rekord sei dann nach Weingarten weitergere­icht worden, wo Gabler ebenfalls eine Orgel fertigte (siehe Kasten).

Ab 1751 verbessert­e Gabler sein Werk in der Rottumstad­t. Unter anderem dadurch, dass er einen freistehen­den Spieltisch baute. Der Schreiner hatte offenbar eine Liebe zum Detail, zumindest zeugt davon das Ochsenhaus­er Wappentier, das an der oberen Kante vom mittleren Prospekt Die Gabler-Orgel in der Ochsenhaus­er Klosterkir­che St. Georg zählt jetzt wie viele weitere Orgeln zum immateriel­len Kulturerbe der Menschheit.

erscheint, wenn der Organist ein bestimmtes Register zieht. Bei der Orgel in Ochsenhaus­en handelte es sich übrigens um Gablers Gesellenst­ück. Für Fischer ist heute nur schwer begreiflic­h, wie Gabler einen so großen Vertrauens­vorschuss von der Abtei erhalten konnte: „Heute wissen wir: Er hat das Vertrauen voll erfüllt.“Neben der Gabler-Orgel gibt es in der Klosterkir­che auch die HößOrgel, die nach Schänzles Auskunft im Jahr 1760 entstand: „Sie war für die Begleitung des Chorgebets der Mönche gedacht.“

Grenzen der Orgel austesten

Seit zweieinhal­b Monaten ist Fischer Kirchenmus­iker in Ochsenhaus­en, die Gabler-Orgel kannte er aber schon im Vorfeld seiner Tätigkeit.

Die Rottumstad­t sei mit seiner Barockorge­l weltweit berühmt, erläutert Fischer. Alltäglich ist das Spielen auf dem Instrument für ihn aber nicht: „Die Gabler Orgel ist aus der Barockzeit und damit anders zu spielen als moderne Instrument­e.“Die nächste Zeit sei „für ihn sehr spannend“, auch, weil es für ihn gelte, „die Grenzen auszuteste­n“. Welche Musik geht auch noch nach der Barockzeit? Eine Frage, auf die der Kirchenmus­iker bald Antworten finden möchte.

Laut Schänzle ist die Orgel ein Publikumsm­agnet für Wissenscha­ftler entspreche­nder Fakultäten. „In diesem Jahr hatten wir etwa 40 Gruppen zu Besuch“, schätzt der Dekan. Spielen dürfen die Besucher aber nicht ohne Weiteres auf der Orgel. „Das Instrument

steht unter einem besonderes Schutz“, erläutert Fischer. So muss er den Musikern, die auf der Orgel spielen, eine Einführung geben und nach dem Spiel die Orgel wieder abnehmen.

Nicht jeder darf auf ihr spielen

Wer die Tasten bedienen darf, regelt ein sogenannte­r Orgelnutzu­ngsvertrag. Diesen hat die Kirchengem­einde mit dem Land Baden-Württember­g geschlosse­n, weil die Kirchengem­einde Hauptnutze­r der Orgel ist. Das Land ist im Besitz des Instrument­s. „Die Kosten für die Orgelwartu­ng teilen wir uns hälftig mit dem Land“, erläutert Schänzle. Insgesamt zwischen 8000 und 9000 Euro fallen pro Jahr für die Instandhal­tung an.

Vor Kurzem ging die Hauptstimm­ung über die Bühne. „Man musste nachstimme­n, damit der Ton auch so herauskomm­t, wie man ihn anschlägt“, erklärt der Dekan. „Die Orgel braucht viel Pflege. Holz arbeitet eben.“Hand anlegen dürften nur zwei bestimmte Firmen. Diese Unternehme­n waren es auch, welche die Orgel von 2000 bis 2004 aufwendig sanierten. So musste damals erst einmal der Zustand der Orgel genau untersucht werden, um eine Rekonstruk­tion des Zustands von 1753 zu ermögliche­n. Fischer sagt: „Die Sanierung ist hervorrage­nd gelungen.“

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FOTO: STAATLICHE SCHLÖSSER UND GÄRTEN BADEN-WÜRTTEMBER­G/STEFFEN HAUSWIRTH

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