Schwäbische Zeitung (Biberach)
Repräsentieren statt Sondieren
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht Ghana und Gambia
Zuletzt hatte sich der Eindruck eingestellt, des Bundespräsidenten vorrangige Aufgabe sei es, potenzielle Koalitionäre zur Räson zu bringen. De facto erfüllt Frank-Walter Steinmeier vor allem seine Aufgabe als deutsches Staatsoberhaupt. Am Mittwoch beendete er seinen Besuch in Ghana (Foto: dpa), ehe er weiter nach Gambia flog. In Banjul ging es auch um die Stärkung der demokratischen Strukturen.
ACCRA/BANJUL (dpa) - Es ist die erste Afrikareise von Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident – nach einer Visite in Ghana ist das deutsche Staatsoberhaupt Gambia weitergereist. In beiden Ländern geht es auch um die Flüchtlingspolitik.
In der Woche zwölf nach der Bundestagswahl und nach dem Scheitern der „Jamaika“-Gespräche ist schon ein Reflex: Unvermeidlich vertiefen sich die deutschen Gäste beim Staatsbesuch in die Analyse der Landesflagge: Rot, Gelb, Grün, mit schwarzem Stern, so präsentieren sich Ghanas Nationalfarben, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Hauptstadt Accra begrüßt wird. Eine Ampel mit Unterstützung der Union? Das gab es noch nie.
Auf seine Rolle bei der Regierungsbildung im fernen Berlin angesprochen, weicht Steinmeier aus. Das müssten jetzt die Parteien entscheiden. Zwar wächst der Druck wächst, auch auf ihn. Doch jetzt soll es um Afrika gehen.
Tänzer und Trommler begrüßen Steinmeier schon auf dem Flughafen. Der Präsident lächelt, ein bisschen. Auch auf den weiteren Stationen begleiten ihn immer wieder Musik und Folklore – gute Laune überall. Die Themen der Gespräche sind weniger unterhaltsam. Die Berichte aus Libyen über das Elend von Flüchtlingen, die als Sklaven verkauft werden, setzen den Ton. „Menschliche Grausamkeit in ihrer extremsten Form“sieht die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Libyen.
„Die Probleme lassen sich nicht von außen lösen, sondern nur von innen“, sagt die Wirtschafts-Expertin Lucy Quist über die Lage in Westafrika bei einer Podiumsdiskussion an der Universität von Accra. Steinmeier widerspricht nicht. Präsident Nana Akufo-Addo hat vor einigen Wochen das Ziel formuliert: „Ghana beyond aid“, Ghana jenseits der Entwicklungshilfe. Wie das funktionieren soll, sagt er nicht.
Aber was da gerade in Berlin abgeht, weiß er auch. Er lobt Kanzlerin Angela Merkel für ihre „herausragende Führungsrolle“und sagt dann beim festlichen Staatsbankett, an Steinmeier gerichtet: „Wir hoffen, dass sie mit Ihrer Hilfe bald eine stabile Regierung hinbekommt.“Damit mag die Rolle des Bundespräsidenten nicht ganz präzise beschrieben sein, aber Ghana hat auch andere Probleme. Es gilt als Musterland Westafrikas, ist auch politisch stabil, aber ökonomisch läuft es längst nicht so, wie es müsste.
Handlungsfähigkeit eingeschränkt
100 Millionen Euro extra hat Deutschland für das Land versprochen in der im Beisein beider Präsidenten vereinbarten Reformpartnerschaft. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), die Steinmeier begleitet, muss aber einräumen, dass die Handlungsfähigkeit der deutschen Regierung derzeit beschränkt ist. Wo kein Haushalt für 2018 steht, da gibt es auch keine Klarheit, wie es mit versprochenen Hilfen für Ghana und andere Länder weitergeht.
In Accra eröffnet Steinmeier zudem ein deutsch-ghanaisches Migrationsberatungszentrum, das erste in Westafrika. Weitere solche Zentren sollen in Nigeria und Senegal folgen. Hier werden Rückkehrer nach einer gescheiterten Flucht ebenso beraten wie diejenigen, die sich auf den Weg nach Europa machen wollen. Steinmeier zitierte Präsident Akufo-Addo mit dem Satz: „Flüchtlinge sind nicht nur eine Besorgnis in Europa, sie müssen unsere Besorgnis sein, weil uns gerade die jungen Leute fehlen werden, die wir zum Aufbau unseres Landes brauchen.“
Am Mittwoch dann Gambia: Das Land ist bitterarm, dagegen wirkt Ghana wie ein Wirtschaftswunder. Aber Steinmeier möchte dem Präsidenten Adama Barrow, der Gambia vorsichtig auf den Weg zur Demokratie führt, den Rücken stärken. Noch nie war ein Bundespräsident zu Besuch in dem Kleinstaat. Auch das ist ein Signal.
Steinmeier sagt dem Land wirtschaftliche und politische Unterstützung auf dem Weg zur Demokratie zu. „Deutschland ist entschlossen, Gambia bei der Stärkung seiner Demokratie zu helfen, und zwar durch gemeinsame Anstrengungen in den Bereichen Energie, Sicherheit, Kultur und – das Wichtigste – bei der Schaffung von Arbeitsplätzen“, sagt Steinmeier. Bei einem Staatsbankett würdigt er den demokratischen Machtwechsel in dem kleinen Land Anfang des Jahres nach 22 Jahren Autokratie. Damit sei das kleine Land in Westarika „ quasi über Nacht wieder zu einem wichtigen Partner für Deutschland und Europa“geworden.