Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der Lack ist ab
Dass ein Demokrat eine wichtige Wahl in Alabama gewinnt, grenzt an ein Wunder. Normalerweise gehört Alabama zu jener Handvoll amerikanischer Bundesstaaten, von denen es heißt, dass die Konservativen selbst einen Esel ins Rennen schicken könnten, ohne ein nennenswertes Risiko einzugehen. Nun aber wirft der Kandidat der Demokraten alles über den Haufen, was seit gut 25 Jahren zum Kanon politischer Lehrsätze gehört.
Der Triumph des Doug Jones kommt dennoch nicht so überraschend, wie man bei einem Blick auf die Wahlchronik vermuten mag. Denn es war eben nichts normal in Alabama. Mit Roy Moore, einem evangelikalen Eiferer, hat ein Mann verloren, der selbst im Bibelgürtel des Südens wirkte wie ein Relikt aus einer verflossenen Zeit. Obendrein wie ein Scheinheiliger, der den strengen Moralapostel gab, bis mehrere Frauen überzeugend schilderten, wie er sie sexuell belästigte, als sie Mädchen im Teenageralter waren. Das weiße Bürgertum, im tiefen Süden eigentlich eine feste Bank für die Republikaner, hat sich zu Teilen angewidert von Moore abgewandt. So hoch die Religion bei den Leuten im Kurs steht: Sich von einem skandalumwitterten Fanatiker im Senat vertreten zu lassen, ging vielen zu weit.
Es hätte ihren Staat zu sehr blamiert, einen Staat, der einst Polizeihunde auf schwarze Bürgerrechtler hetzte und dessen jüngere Generationen nichts am Hut haben mit einem Prediger, der selbst die Sklaverei nostalgisch verklärt. „Wir sind nicht Roy Moore“, titelte eine Lokalzeitung in Birmingham.
Federn lassen musste auch Donald Trump, zumal er den Unterlegenen bis zuletzt kräftig angefeuert hatte. So etwas wie einen Trump-Bonus an den Wahlurnen, dies wird immer klarer, gibt es nicht mehr. Erst im November kassierten die Republikaner beim Gouverneursvotum in Virginia eine krachende Niederlage, nun lässt Alabama einen Paukenschlag dröhnen. Von einer Dämmerung zu sprechen, die jetzt über den US-Präsidenten hereinbräche, wäre verfrüht, wenn nicht absurd. Doch der Lack ist allemal ab.