Schwäbische Zeitung (Biberach)
Burger und Pasta statt Hemd und Hose
In Ulm mieten Ketten wie „Vapiano“oder „Hans im Glück“Einzelhandelsgeschäfte
ULM - An keinem anderen Ort in der Region wird der Handel im Wandel so offensichtlich wie am Münsterplatz 18: „Bücher entdecken“steht noch über der ehemaligen Verkaufsstelle der Buchhandlung Herwig, in der nun andere Relikte aus der Vergangenheit feileboten werden: Schals und Tücher aus dem Hause Passigatti.
Der Neu-Ulmer Accessoires-Hersteller kapitulierte vor der OnlineKonkurrenz und verkauft nun seine Reste in den Räumen, aus denen ein Buchhändler auszog, weil er die Miete nicht mehr zahlen konnte, die ein Burgerbrater auf den Tisch legen will: Im Frühjahr bezieht die Kette „Hans im Glück“die Räume.
Eine typische Entwicklung in Innenstädten, die sich unter dem Druck der Internetkonkurrenz verändern. Denn die Mieten in bester Lage sind konstant oder steigen sogar, während die Erlöse des Einzelhandels sinken, wie Josef Röll, der Einzelhandelsexperte der Ulmer Industrieund Handelskammer erklärt. Systemgastronomiebetriebe wie „Hans im Glück“könnten durch die große Anzahl ihrer Filialen gewinnträchtiger arbeiten und somit höhere Mieten zahlen.
Ähnliches lässt sich auch in der Neuen Mitte beobachten: In ein Teil des ehemaligen Modehauses Honer zieht im kommenden Sommer die deutsche Italo-Kette „Vapiano“ein, die 180 Standorte in 31 Ländern hat. Und wenige Meter weiter eröffnete im Mai der Ulmer Gastronom Eberhard Riedmüller mit dem Barfüßer eine Gaststätten-Brauerei, die ähnlich funktioniert wie ein Systemgastronomiebetrieb.
Ulms Attraktivität könnte steigen
Röll glaubt nicht unbedingt, dass es einen Verdrängungswettbewerb geben wird. Denn ein größeres Angebot einer gefragten Branche verursache oft eine größere Nachfrage. Ulms Attraktivität für Kunden aus dem Ländlichen Raum könnte so noch steigen. Denn während viele Gaststätten abseits der größeren Städte Probleme hätten, überhaupt einen Pächter zu finden, florieren Systemgastronomiebetriebe.
Auch Ulms Citymanager Henning Krone findet die Entwicklung nicht bedenklich. Denn Erlebnis sei ein Faktor, den auswärtige Besucher bei einem Bummel durch Ulm noch mehr erwarten als früher. Und dazu gehörten nicht nur Magneten wie der Weihnachtsmarkt, sondern auch bekannte Gastro-Marken wie „Vapiano“oder „Hans im Glück“. „Gastronomie ist für die Attraktivität einer Innenstadt inzwischen genauso wichtig wie der klassische Handel“, sagt Röll. Dies sei in allen Städten so.
Von einer „Gastronomisierung“spricht Lothar Schubert, Geschäftsführender Gesellschafter von DC Developments, der Firma, die derzeit das Einkaufsquartier Sedelhöfe am Ulmer Bahnhof baut. Das Bedürfnis der Kunden nach Kommunikation, reellen Begegnungen und gutem Auswärtsessen wachse stetig. Neben einem McDonalds auf 700 Quadratmetern Mietfläche plant Schubert weitere Essensanbieter. Etwa im Vorkassenzonenbereich bei dm und Edeka im Untergeschoss sowie Flächen im Erdgeschoss. Gastronomie spiele eine wichtige Rolle. „Der Albert-Einstein-Platz soll ein Ort werden, wo man nicht nur eine kurze Pause vom Einkaufsbummel macht, sondern auch ein Glas Wein bei schönem Wetter nach Feierabend genießen kann“, sagt Schubert.
Kommt Starbucks auch nach Ulm?
Das Projekt solle zu einer weiteren Belebung der Innenstadt beitragen, und das nicht nur tagsüber, sondern auch nach Ladenschluss. Viele Gastronomen hätten bereits Interesse signalisiert. Gerüchten zufolge ist Starbucks dabei. Die Pressesprecherin der US-Kaffee-Kette antwortet auf Anfrage ausweichend: „Starbucks ist stets auf der Suche nach geeigneten Standorten.“Neuigkeiten bezüglich einer Eröffnung in Ulm gebe es nicht. Ausschließen will Starbucks eine Ansiedlung nicht. Das ist bei anderen Systemgastronomen nicht der Fall: Ketten wie „Maredo“oder „Block House“etwa, gehen grundsätzlich nur in Städte über 250 000 Einwohner.