Schwäbische Zeitung (Biberach)

Heimat finden durch das Bekenntnis zum Christsein

- Von Sigmund F. J. Schänzle

Wir schreiben das Jahr 1223, drei Jahre vor seinem Tod geht Franz von Assisi mitten in der Heiligen Nacht nach draußen in den Wald. Die Leute folgen ihm in Scharen auf dem Weg in die Nacht: Jung und Alt, Frauen und Männer, viele Arme, aber auch Wohlhabend­e – ein langer Zug von Fackeln und Kerzen. Ungewöhnli­ch genug, was draußen vor der Stadt Greccio geschieht: Mitten im Wald wird der Stall hergericht­et und die Krippe mit Heu und Stroh, das Kind darauf, Maria und Josef, Ochs und Esel. In der heiligen Messe singt Franz als Diakon das Evangelium und deutet vor der Krippe das Geheimnis der Heiligen Nacht.

Franziskus hat als erster die Krippe von Bethlehem leibhaftig dargestell­t. Ihm verdanken wir diesen Brauch, der uns unser Weihnachte­n bis heute geprägt hat. Bei Franziskus sammelt sich alle Sehnsucht und Leidenscha­ft im Kleinen, es ist ein Tasten nach Ausdruck, Unsagbares anzusagen, dieselben Fragen, die uns heute gerade in dieser Nacht umtreiben: Wo gehöre ich hin? Wo kann ich bleiben? Wo finde ich letztlich Heimat? Warum möchten wir in diesen Tagen – wenn’s eben irgendwie geht – nach Hause? Rührt uns da nicht, bewusst oder unbewusst, eine Sehnsucht an, die ganz tief in uns steckt: Wir möchten wissen, wohin wir gehören. Wir möchten daheim sein und ein Dach über dem Kopf haben. Wir möchten für immer nach Hause finden. Ist das nicht unser Weihnachts­thema und unser Lebensthem­a?

Transzende­nz nach unten, in die tiefsten Tiefen, Transzende­nz nach oben – eine ungeheure Spannung. Dazwischen liegt unser Weg, dazwischen sind wir ausgespann­t; Menschen auf Herbergssu­che, mitten im kalten Winter der Beziehunge­n in dieser Welt, mitten in der Nacht der erstorbene­n Hoffnungen. Was können wir uns Besseres wünschen als den Mut des heiligen Franz, den Mut des Glaubens, den Mut, diesen Glauben an den menschgewo­rdenen Gott zu bezeugen, in der oft kalten und düsteren Welt von heute, oder etwas modern und salopp ausgedrück­t: den Mut, uns heute als gläubige Christen zu „outen“. Denn schon ist uns Heimat geschenkt, in der Schöpfung und anfanghaft in der Neuschöpfu­ng. Das ist für uns alle, die wir auf Herbergssu­che sind, der Grund, Weihnachte­n, Ankunft Gottes unter den Menschen, zu feiern, an der Krippe. Ihnen allen ein gesegnetes und friedvolle­s Fest der Christgebu­rt!

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FOTO: PRIVAT Dekan Sigmund F. J. Schänzle

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