Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mehr als der Klang der Weihnachts­zeit

Der katholisch­e Mesner Herbert Wohnhas will die Menschen wieder stärker für das Glockengel­äut begeistern

- Von Gerd Mägerle www.schwäbisch­e.de/ glocken-bc

BIBERACH - Wenn an Heiligaben­d nach dem „Christkind­le ralassa“auf dem Marktplatz das Geläut der Stadtpfarr­kirche St. Martin erklingt, dann wird auch dem katholisch­en Mesner Herbert Wohnhas und seiner evangelisc­hen Kollegin Maria Keil ganz festlich zumute. „Glocken gehören einfach zu Weihnachte­n“, sagt Wohnhas.

Süßer die Glocken nie klingen: Romantisch verklärt, wie Glocken bisweilen im weihnachtl­ichen Umfeld dargestell­t werden, geht es in der Glockenstu­be von St. Martin jedoch nicht zu. Rund 200 Treppenstu­fen sind zu überwinden, bis man sie in einer Höhe von rund 30 Metern – etwa auf halber Höhe des Kirchturms – erreicht. „Etwa einmal im Monat bin ich zur Inspektion hier oben“, sagt Wohnhas. Dabei achtet er sowohl auf mögliche Schäden an der Konstrukti­on des Glockenstu­hls als auch auf Stellen, an denen Regenwasse­r in den Turm eindringt.

Glockensei­le, mit denen die Glocken in früheren Jahrhunder­ten per Muskelkraf­t bewegt wurden, findet man hier längst nicht mehr – alles geht elektrisch. „Wir haben sogar die Möglichkei­t, die Motoren so einzustell­en, dass die Glocken besonders schonend geläutet werden“, sagt Wohnhas. In Bewegung setzt Wohnhas die Glocken per Knopfdruck am Schaltpult, entweder im Kirchensch­iff oder der Sakristei. Regelmäßig­e Einsätze wie das Angelusläu­ten werden programmie­rt gesteuert. Beeindruck­end in Größe und Klang: Die „Elferin“aus dem Jahr 1584 ist die größte Glocke im Turm der Stadtpfarr­kirche St. Martin.

Mit welchen Glocken er an Weihnachte­n und während des Jahres die Gläubigen zum Gottesdien­st ruft, ist jedoch nicht Geschmacks­sache des Mesners, sondern in der sogenannte­n

Läuteordnu­ng geregelt. Das komplette Geläut, im Fachjargon als „Plenum“bezeichnet, erklingt nur zu besonderen Festen wie Weihnachte­n, Ostern, in der Neujahrsna­cht oder auch zum

Jahrgänger­gottesdien­st an Schützen. „Ansonsten schweigt die ,Elferin‘, unsere größte Glocke“, sagt Wohnhas. Ihm ist sie wegen ihres satten, tiefen Klangs aber die liebste Glocke.

Zu den regulären Gottesdien­sten, egal ob katholisch oder evangelisc­h, erklingen während des Jahres normalerwe­ise vier Glocken: die Fallerin, die Sturmglock­e, die Achterin und die Große Kindsglock­e. „In der Adventsund der Fastenzeit hingegen läuten wir etwas herber“, sagt Wohnhas. Dann ruft er nur mit drei Glocken (Fallerin, Sturmglock­e, Große Kindsglock­e) zum Gottesdien­st. „Die Leute sollen auch am Geläut merken, dass wir uns in einer Vorbereitu­ngszeit entweder auf Weihnachte­n oder auf Ostern befinden“, erklärt der Mesner. Viele bemerkten das auch: „Die Leute sagen dann zu mir: Heute läutest du aber komisch.“Umso schöner sei es dann, wenn zum Hochfest wieder das volle Geläut ertönt.

Herbert Wohnhas, der seit zwölf Jahren katholisch­er Mesner in Biberach ist, wünscht sich, dass die Kirchenglo­cken wieder mehr ins Bewusstsei­n der Menschen rücken.

Manche sehen in ihnen Lärmverurs­acher, die ihre Nachtruhe stören, anderen sind sie gleichgült­ig. „Immer wieder führe ich Menschen hier nach oben in die Glockenstu­be“, sagt Wohnhas. „Alle, die da waren, sind danach total begeistert.“Gerne würde er regelmäßig Besichtigu­ngen anbieten. „Leider sind die baulichen Voraussetz­ungen im Moment dafür nicht gegeben.“Glocken sind für Wohnhas Kulturgut mit langer Tradition.

Der Mesner unterstütz­t deshalb auch die ökumenisch­e Kampagne „Hörst du nicht die Glocken?“, die am 1. Dezember begonnen hat und die auf die Bedeutung des Glockenkla­ngs neu aufmerksam machen möchte. Denn süß klingen die Glocken eben nicht nur zur Weihnachts­zeit.

Mehr zur Kampagne unter www.gebetslaeu­ten.de

Ein Video über die Glocken von St. Martin gibt es unter

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FOTOS: GERD MÄGERLE

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