Schwäbische Zeitung (Biberach)
Gustav Mahler auf rheinische Art
Mahler hat seine 5. Sinfonie im Oktober 1904 im Kölner Gürzenich uraufgeführt. Die jüngste Aufnahme dieses Werkes, das mit seinem langsamen Satz, dem Adagietto, das populärste Stück des Komponisten überhaupt enthält, kommt wieder aus Köln. Wieder spielt das Gürzenich-Orchester. Es ist die interessanteste Mahler-Interpretation seit Langem.
Mahler hat mit dieser Sinfonie einen „ganz neuen Stil“entwickelt. Was ihm vorschwebte, hat das Publikum der Uraufführung aber nicht wahrgenommen. Die Kritiken beklagten mit dem Fehlen von Originalität und Klarheit exakt das, was Mahlers kompositorisches Ziel war. Und so hat er unmittelbar nach der Aufführung begonnen, die Instrumentation zu ändern, um mehr Klarheit zu schaffen. Vor allem hat er das Klangvolumen eingebremst.
Der zarte, lichte, transparente Mahler-Klang der neuen Aufnahme (beim Label Harmonia Mundi) ist eine Sensation. Kein Orchester hat sich in diese Richtung schon weiter vorgewagt als das Gürzenich-Orchester in seinem noch frischen Mahler-Zyklus unter Markus Stenz (beim Label Oehms). Sein Nachfolger FrançoisXavier Roth knüpft hier an und serviert noch seinen Sinn für Farbigkeit und Finesse hinzu. Das Adagietto ist außergewöhnlich liebevoll und zugleich kitschfrei gezeichnet. Ob das Zurücktreten des Blechs und das Hervorheben der Streicher eine Entscheidung des Dirigenten oder des Mischpults ist, sei dahingestellt. Das Klangbild ist jedenfalls aussergewöhnlich durchhörbar, was gerade dieser Sinfonie zu Gute kommt.
(man)
Mahler, Sinfonie Nr. 5, Gürzenich, Roth, HMM 905285