Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ministerin warnt vor „großem Fachkräftemangel“
Friedlinde Gurr-Hirsch: „Autoindustrie als Riesen-Konkurrenz für Agrarbetriebe“
SIGMARINGEN - Der Tradition verpflichtet hat der Bauernverband Biberach-Sigmaringen am Dreikönigstag zum Kreisbauerntag eingeladen. Die Jugendmusikkapelle Hohentengen eröffnete die Veranstaltung in der Stadthalle Sigmaringen.
In seinem Jahresrückblick streifte der Kreisobmann des Bauernverbands, Gerhard Glaser, plakativ die bedeutsamen agrarpolitischen Themen und Ereignisse der vergangenen zwölf Monate. Von „amtlichem Bauern-Bashing“(öffentliche Beschimpfung) seitens der Umweltministerin Barbara Hendricks, über die Frostnächte im April und die anschließend erfolgten 50 Millionen Euro Soforthilfe der Landesregierung bis hin zu den gestiegenen Fleisch- und Milchpreisen reichten seine Ausführungen.
Deutlich und sehr nachdrücklich wurde Glaser beim Thema Pflanzenschutzmittel. Vorsichtig frage er bei Herrn Kretschmann an, ob ein simples Tempolimit für den „Klimaheilungsgewinn“nicht entschieden höher ausfallen würde als ein Verbot von Glyphosat.
Nach den Grußworten von Bürgermeister Thomas Schärer beschrieb Norbert Lins (CDU), Mitglied im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments, seine Sicht der Dinge bei den Renationalisierungsbestrebungen innerhalb der EU und der Suche nach nachhaltigeren Lösungen bei Schadensfällen nach Unwettern und anderen Umweltkatastrophen.
Stefanie Bürkle, Landrätin im Landkreis Sigmaringen, sagte, dass von den 1500 im vergangenen Jahr gestellten Anträgen bereits 97 Prozent (14 Millionen Euro) an die Landwirte ausbezahlt wurden. Die Zahlen verknüpfte sie gleichzeitig mit der Bitte an die Politiker im Saal, eine Verwaltungsvereinfachung anzugehen, bestehe doch eine eklatante Unverhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Ertrag. Die Schließung des Grünen Zentrums in Laiz erwähnte sie im Zusammenhang mit dem Jubiläum der Albert-Reis-Techniker-Schule im Jahr 2017 nur kurz.
Das fast einstündige Referat der Staatssekretärin Friedlinde GurrHirsch hatte die „Weichenstellungen für die Landwirtschaft in BadenWürttemberg“im Visier. Zu Beginn ihres Vortrags stellte sie fest, dass es der Landwirtschaft dank der Preiserholung 2017 besser erging als in den Jahren zuvor. Trotzdem gebe es noch viel Luft nach oben, da die hiesigen Landwirte im nationalen Vergleich immer noch am Ende der Einkommensskala stünden. Erhebliche Einbußen hätten die Ackerbaubetriebe zu verzeichnen, während sich die Milchwirtschaftsund Rinderbetriebe zum Positiven entwickelt hätten. Auch die rege Nachfrage nach Schweinefleisch gebe Anlass zur Hoffnung im Hinblick auf eine Trendwende in der Preisfrage.
Neue Marktchancen
Da der Anteil der Bauern innerhalb der Bevölkerung mittlerweile nur noch ein Prozent umfasse, heiße es, verstärkt neue Marktchancen zu suchen. Die Chance sieht Gurr-Hirsch in der Spezialität und der Qualität der Produkte, die auch den sensiblen Verbraucher zum Kunden werden lasse. „Regionalität ist das neue Bio“, sagte sie weiter.
Sorge mache ihr die Tatsache, dass in den kommenden Jahren mit einem großen Fachkräftemangel zu rechnen sei, da die Autoindustrie mit ihren guten bis sehr guten Verdienstchancen eine Riesenkonkurrenz für die Agrarbetriebe bedeute. Was das Thema Glyphosat anbelangt, verwies GurrHirsch auf den engen Kontakt zwischen Wissenschaft und Landwirten, diesem Unkrautvernichtungsmittel mögliche Alternativen entgegenzusetzen.
Europa werde sich nach dem Brexit neu orientieren müssen und dabei verstärkt auf die Nationalstaaten setzen. Die EU-Kommission werde künftig ihren Mitgliedern mehr Entscheidungsbefugnis zurückgeben und die kleinen und mittleren Betriebe stärken. Deshalb sollen die ersten Hektar eines Agrarbetriebs in Zukunft stärker gewichtet werden, sodass nicht mehr die 20 Prozent Agrargroßbetriebe 80 Prozent der Fördergelder abschöpfen.
Nach Schlussworten vom Geschäftsführer des Bauernverbands, Niklas Kreeb, und Stefan Käppeler, dem Vorsitzenden des Vereins zur landwirtschaftlichen Fortbildung und Mitveranstalter, sowie dem Auftritt der Sternsinger bot sich die Gelegenheit für Austausch. Bezüglich der Schließung des Grünen Zentrums in Laiz wurde an vielen Tischen Kritik und Unverständnis geäußert.