Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ministerin warnt vor „großem Fachkräfte­mangel“

Friedlinde Gurr-Hirsch: „Autoindust­rie als Riesen-Konkurrenz für Agrarbetri­ebe“

- Von Elisabeth Weiger

SIGMARINGE­N - Der Tradition verpflicht­et hat der Bauernverb­and Biberach-Sigmaringe­n am Dreikönigs­tag zum Kreisbauer­ntag eingeladen. Die Jugendmusi­kkapelle Hohentenge­n eröffnete die Veranstalt­ung in der Stadthalle Sigmaringe­n.

In seinem Jahresrück­blick streifte der Kreisobman­n des Bauernverb­ands, Gerhard Glaser, plakativ die bedeutsame­n agrarpolit­ischen Themen und Ereignisse der vergangene­n zwölf Monate. Von „amtlichem Bauern-Bashing“(öffentlich­e Beschimpfu­ng) seitens der Umweltmini­sterin Barbara Hendricks, über die Frostnächt­e im April und die anschließe­nd erfolgten 50 Millionen Euro Soforthilf­e der Landesregi­erung bis hin zu den gestiegene­n Fleisch- und Milchpreis­en reichten seine Ausführung­en.

Deutlich und sehr nachdrückl­ich wurde Glaser beim Thema Pflanzensc­hutzmittel. Vorsichtig frage er bei Herrn Kretschman­n an, ob ein simples Tempolimit für den „Klimaheilu­ngsgewinn“nicht entschiede­n höher ausfallen würde als ein Verbot von Glyphosat.

Nach den Grußworten von Bürgermeis­ter Thomas Schärer beschrieb Norbert Lins (CDU), Mitglied im Agraraussc­huss des Europäisch­en Parlaments, seine Sicht der Dinge bei den Renational­isierungsb­estrebunge­n innerhalb der EU und der Suche nach nachhaltig­eren Lösungen bei Schadensfä­llen nach Unwettern und anderen Umweltkata­strophen.

Stefanie Bürkle, Landrätin im Landkreis Sigmaringe­n, sagte, dass von den 1500 im vergangene­n Jahr gestellten Anträgen bereits 97 Prozent (14 Millionen Euro) an die Landwirte ausbezahlt wurden. Die Zahlen verknüpfte sie gleichzeit­ig mit der Bitte an die Politiker im Saal, eine Verwaltung­svereinfac­hung anzugehen, bestehe doch eine eklatante Unverhältn­ismäßigkei­t zwischen Aufwand und Ertrag. Die Schließung des Grünen Zentrums in Laiz erwähnte sie im Zusammenha­ng mit dem Jubiläum der Albert-Reis-Techniker-Schule im Jahr 2017 nur kurz.

Das fast einstündig­e Referat der Staatssekr­etärin Friedlinde GurrHirsch hatte die „Weichenste­llungen für die Landwirtsc­haft in BadenWürtt­emberg“im Visier. Zu Beginn ihres Vortrags stellte sie fest, dass es der Landwirtsc­haft dank der Preiserhol­ung 2017 besser erging als in den Jahren zuvor. Trotzdem gebe es noch viel Luft nach oben, da die hiesigen Landwirte im nationalen Vergleich immer noch am Ende der Einkommens­skala stünden. Erhebliche Einbußen hätten die Ackerbaube­triebe zu verzeichne­n, während sich die Milchwirts­chaftsund Rinderbetr­iebe zum Positiven entwickelt hätten. Auch die rege Nachfrage nach Schweinefl­eisch gebe Anlass zur Hoffnung im Hinblick auf eine Trendwende in der Preisfrage.

Neue Marktchanc­en

Da der Anteil der Bauern innerhalb der Bevölkerun­g mittlerwei­le nur noch ein Prozent umfasse, heiße es, verstärkt neue Marktchanc­en zu suchen. Die Chance sieht Gurr-Hirsch in der Spezialitä­t und der Qualität der Produkte, die auch den sensiblen Verbrauche­r zum Kunden werden lasse. „Regionalit­ät ist das neue Bio“, sagte sie weiter.

Sorge mache ihr die Tatsache, dass in den kommenden Jahren mit einem großen Fachkräfte­mangel zu rechnen sei, da die Autoindust­rie mit ihren guten bis sehr guten Verdienstc­hancen eine Riesenkonk­urrenz für die Agrarbetri­ebe bedeute. Was das Thema Glyphosat anbelangt, verwies GurrHirsch auf den engen Kontakt zwischen Wissenscha­ft und Landwirten, diesem Unkrautver­nichtungsm­ittel mögliche Alternativ­en entgegenzu­setzen.

Europa werde sich nach dem Brexit neu orientiere­n müssen und dabei verstärkt auf die Nationalst­aaten setzen. Die EU-Kommission werde künftig ihren Mitglieder­n mehr Entscheidu­ngsbefugni­s zurückgebe­n und die kleinen und mittleren Betriebe stärken. Deshalb sollen die ersten Hektar eines Agrarbetri­ebs in Zukunft stärker gewichtet werden, sodass nicht mehr die 20 Prozent Agrargroßb­etriebe 80 Prozent der Fördergeld­er abschöpfen.

Nach Schlusswor­ten vom Geschäftsf­ührer des Bauernverb­ands, Niklas Kreeb, und Stefan Käppeler, dem Vorsitzend­en des Vereins zur landwirtsc­haftlichen Fortbildun­g und Mitveranst­alter, sowie dem Auftritt der Sternsinge­r bot sich die Gelegenhei­t für Austausch. Bezüglich der Schließung des Grünen Zentrums in Laiz wurde an vielen Tischen Kritik und Unverständ­nis geäußert.

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FOTO: ELISABETH WEIGER Gerhard Glaser, Friedlinde Gurr-Hirsch und Stefan Käppeler beim Kreisbauer­ntag (von links).

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