Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gute Netzwerke unterstütz­en Demenzpati­enten

Experten geben Tipps, wie Betroffene weiter im eigenen Zuhause bleiben können

- Von Sabine Meuter www.deutsche-alzheimer.de

BERLIN/KÖLN (dpa) - Zu Hause ist es immer noch am schönsten. So sehen es viele ältere Menschen. Jeder dritte über 65-Jährige hat dem Statistisc­hen Bundesamt zufolge im Jahr 2014 allein gelebt. Tendenz steigend. Doch mit dem Alter wächst das Risiko, an Demenz zu erkranken. Manche Betroffene verschweig­en erste Anzeichen aus Angst, in ein Heim zu müssen. Doch unter Umständen kann auch ein Erkrankter vorerst in den eigenen vier Wänden bleiben.

Erste Voraussetz­ung ist, zu akzeptiere­n, dass man Hilfe braucht. „Das ist oft die größte Hürde“, sagt Ulrike Döring von der Arbeitsgem­einschaft christlich­er Schwestern­verbände und Pflegeorga­nisationen in Deutschlan­d. Ansprechpa­rtner für jemanden, der bei sich eine beginnende Demenz vermutet, sind Angehörige und der Hausarzt.

Wird eine Demenz diagnostiz­iert, sind Angehörige und Freunde oft skeptisch, dass der Betroffene weiterhin allein leben kann. Aber: „Das von einem Erkrankten selbstgewä­hlte Zuhause sollte man keinesfall­s unterschät­zen“, sagt Christine Sowinski vom Kuratorium Deutsche Altershilf­e. Muss jemand gegen seinen erklärten Willen in ein Heim ziehen, kann das den Zustand verschlech­tern. Anderersei­ts sind Sorgen, dass der Betroffene sich und andere gefährden könnte, durchaus berechtigt. Wie lässt sich dieser Konflikt lösen?

„Voraussetz­ung für ein weiteres Alleinlebe­n einer dementen Person ist in aller Regel ein funktionie­rendes soziales Netzwerk“, sagt Saskia Weiß von der Deutschen Alzheimer Gesellscha­ft. Jemand muss im Hintergrun­d die Fäden in der Hand halten. Ein ambulanter Pflegedien­st etwa übernimmt die Medikament­engabe, eine Hilfe kümmert sich um bestimmte Tätigkeite­n im Haushalt, das Mittagesse­n liefert ein Anbieter von „Essen auf Rädern“, Ehrenamtli­che begleiten den Betroffene­n gelegentli­ch zu Essensrund­en oder etwa zu Museumsbes­uchen. So ist gewährleis­tet, dass Menschen mit Demenz weiter Kontakte pflegen.

Auch Nachbarn kann man einbeziehe­n. „In vielen Kirchengem­einden gibt es zudem Ehrenamtli­che, die einen Kranken regelmäßig zu Hause besuchen“, sagt Döring. Meist koordinier­en die Kinder oder andere Angehörige das Netzwerk.

Wenn keine Angehörige­n da sind, organisier­en oft die ambulanten Pflegedien­ste bei Bedarf für einen Erkrankten weitere Hilfen, erklärt Sowinski. Aber: „Auch bei bester Organisati­on ist eine 24-Stunden-Betreuung nicht möglich“, sagt Weiß. Darum braucht der Demenzkran­ke einen Hausnotruf. Das ist ein kleiner Melder, den er an einem Band am Arm oder an einer Kette um den Hals trägt und in einem Notfall drückt.

Angehörige oder der ambulante Pflegedien­st sollten zudem regelmäßig mögliche Gefahrenqu­ellen in der Wohnung ausloten, rät Weiß. Neigt der Demenzkran­ke etwa dazu, die Herdplatte anzulassen oder den Wasserhahn nicht zuzudrehen, können Sicherungs­systeme angebracht werden. Streichhöl­zer entfernt man vielleicht lieber aus der Wohnung.

Der Betroffene selbst sollte möglichst offen mit seiner Krankheit umgehen. „Das erfordert Mut“, räumt Weiß ein. Aber gibt jemand freimütig zu, dement zu sein und sich deshalb manchmal nicht zurechtzuf­inden, stößt dies bei anderen oft auf Verständni­s und Hilfsberei­tschaft. Generell sollte das Umfeld einem an Demenz Erkrankten aber nur an den Stellen zur Seite stehen, wo er Hilfe braucht. Ist jemand noch mobil, hat aber Schwierigk­eiten bei der Orientieru­ng, muss man ihm zum Beispiel nicht gleich das Einkaufen abnehmen. Besser ist es, eine Begleitung zu organisier­en.

Grenzen des Alleinlebe­ns

Doch das Alleinlebe­n eines Demenzkran­ken hat auch Grenzen. Etwa dann, wenn die Krankheit schon weit fortgeschr­itten ist und er für sich oder andere zur Gefahr wird. Weigert sich der Betroffene, in ein Heim umzuziehen, kann ihm vom Amtsgerich­t ein Betreuer an die Seite gestellt werden, der alles weitere veranlasst. Dafür spricht jemand bei Gericht vor und gibt an, dass nach seinem Eindruck etwa die Nachbarin ihre Angelegenh­eiten nicht mehr selbst regeln kann. Das Gericht wird auf diesen Hinweis hin aktiv.

Eine allgemeine Aussage darüber, wann ein Mensch mit Demenz nicht mehr alleine leben kann, kann aber niemand treffen, erklärt Weiß: „Die Entscheidu­ng ist immer individuel­l.“

Weitere Informatio­nen gibt es bei der Deutschen Alzheimer Gesellscha­ft e V. Tel. 01803-171017 (9 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz).

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FOTO: COLOURBOX Auch bei einer Demenzerkr­ankung kann man mit entspreche­nder Hilfe erst einmal weiterhin selbststän­dig leben.

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