Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kretschmann denkt ans Weitermachen
Ministerpräsident hält sich eigene Zukunft offen und hätte sich Führungsamt für Özdemir gewünscht
STUTTGART (tja) - Winfried Kretschmann (Grüne) spielt mit dem Gedanken, 2021 erneut für das Amt des Ministerpräsidenten zu kandidieren. „Sie müssen damit rechnen, dass ich noch mal antrete“, sagte der 69-Jährige am Dienstag in Stuttgart. Allerdings wollte er sich nicht endgültig festlegen. Dazu sei es noch zu früh. Die Lage der Bundespartei, seine Gesundheit, der Wunsch nach Zeit mit seinen Enkeln – all das könne seine Entscheidung beeinflussen. Kritisch äußerte er sich zum drohenden Machtverlust des scheidenden Grünen-Chefs Cem Özdemir. Er halte es für riskant, diesen „durch den Rost“fallen zu lassen.
STUTTGART - Sein Werben war vergeblich: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte vor Weihnachten viele Strippen gezogen und viele lobende Worte gefunden für Cem Özdemir. Doch der scheidende Parteichef der Grünen steht bald ohne Führungsamt da. Das hält Kretschmann für einen großen Fehler. Dieses Urteil hat er seinen Parteifreunden am Dienstag in Stuttgart ins Stammbuch geschrieben – und sich zu seiner eigenen Zukunft geäußert.
„Sie müssen damit rechnen, dass ich noch mal antrete“, sagte Kretschmann. 2021 stehen die nächsten Landtagswahlen an. Der Ministerpräsident betont seit Langem, dass er bis dahin auf jeden Fall regieren will – wenn es seine Gesundheit zulässt. Immerhin feiert er im Mai seinen 70. Geburtstag.
„Ich bin nicht fußkrank, ich bin gesund“, betonte der sichtlich erholte und gut aufgelegte Grüne vor der Landespresse. Doch endgültig festlegen möchte er sich noch nicht auf seine Zukunftspläne. „Das entscheide ich doch nicht eineinhalb Jahre vor der nächsten Wahl“. Derzeit gebe es für solche Gedanken keinen Grund. Die Arbeit in der Koalition mit der CDU laufe sehr gut. Mit der eigenen Leistung ist Kretschmann ebenfalls zufrieden. Es lohne sich allenfalls über einen Rückzug nachzudenken, „wenn meine Performance schlecht wäre oder meine Umfragewerte in den Keller gingen. Aber das ist ja nicht so“.
Die öffentliche Debatte um seine Nachfolge hält Kretschmann für verfrüht. Sie werde ohnehin nur von den Medien geführt, aber nicht in seiner Partei. Dabei hatte Kretschmann diese Spekulationen im Dezember gewollt oder ungewollt selbst befeuert. Seine Werbetour für Özdemir auf dem Landesparteitag in Heidenheim hatten durchaus auch einige Grüne als Präsentation eines möglichen Nachfolgers interpretiert.
Großer Rückhalt
Tatsächlich stehen Fraktion und weite Teile der Partei hinter ihm und hoffen, dass ihr populärer Frontmann sie noch einmal in eine Wahl führt. Mit und dank ihm erzielten sie 2011 und 2016 Rekordergebnisse, lösten mit mehr als 30 Prozent der Stimmen nach Jahrzehnten erstmals die CDU als stärkste politische Kraft in Baden-Württemberg ab und errangen so viele Mandate und Regierungsämter wie nie zuvor.
Mit Sicherheit hätte Kretschmann den Bad Uracher Özdemir gern an der Spitze der Bundestagsfraktion gesehen. Doch Özdemir tritt bekanntlich gar nicht erst an, weil er keine Mehrheit bekommt. Die ablehnende Haltung der Bundestagsfraktion halte er für kurzsichtig, so Kretschmann: „Er ist einer der profiliertesten und beliebtesten Politiker, den die Grünen haben.“Der Ministerpräsident verwies auf die Lage seiner Partei im Bundestag: Sie ist dort kleinste Oppositionspartei. Die AfD werde viel Aufmerksamkeit erzielen mit Provokationen, die FDP habe mit Christian Linder einen guten Redner an der Spitze. „In so einer Situation den besten Politiker, den wir haben, durch den Rost fallen zu lassen, halte ich für sehr riskant.“
Doch sowohl Kretschmann als auch Özdemir wiederholen seit Monaten: Özdemirs Platz sei Berlin, nicht in Stuttgart. Diese Beteuerungen klangen am Dienstag so: „Er wird seinen Weg finden, weil sich Qualität durchsetzt. Die Berliner Bühne wird oft neu bespielt, da ist noch nicht aller Tage Abend.“