Schwäbische Zeitung (Biberach)

Streit um mehr Disziplin im Klassenzim­mer

SPD und Bildungsve­rbände reagieren empört auf Forderung von CDU-Generalsek­retär nach Frontalunt­erricht

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - In Sachen Bildungspo­litik tun sich die Regierungs­partner von Grünen und CDU schwer, eine gemeinsame Sprache zu finden. Deutlich wurde das erneut, als die Fraktionsv­orsitzende­n am Freitag in Stuttgart die Ergebnisse ihrer jeweiligen Klausurtag­ungen vorgestell­t haben. CDU-Generalsek­retär Manuel Hagel heizte die Diskussion zusätzlich an.

Noch bevor die Fraktionsc­hefs am Freitag vor die Presse traten, legte Hagel vor. „Die Zeiten eines überborden­den Laissez-faire in der Bildungspo­litik sollten wir hinter uns lassen“, sagte er der „Südwest Presse“. „Was wir brauchen, ist eine Fokussieru­ng auf Qualität und Leistung. Er forderte die Rückkehr zum Frontalunt­erricht und mehr disziplina­rische Durchgriff­smöglichke­iten für Lehrer gegenüber auffällige­n Schülern. Und: „Verpflicht­ende Diktate sowie verpflicht­endes Schönschre­iben stärken die Schreib- und Lesefähigk­eit der Schüler.“

All das machte sich CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart zwar nicht zu eigen, betonte aber: „Wir setzen auf die Qualität des Unterricht­s.“Um die zu gewährleis­ten, brauche es unter anderem frühzeitig­e Sprachförd­erung. Dafür plädierte auch Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz und erklärte: „Ich bin auch ein klarer Anhänger von Leistung.“Auf Hagels Vorstoß entgegnete er indes, dass der Frontalunt­erricht im Südwesten gar nicht abgeschaff­t sei und auch Diktate noch geschriebe­n würden. Wer sich aber nur auf Leistung konzentrie­re, vernachläs­sige andere wichtige Punkte in der Bildungspo­litik. „Konzepte aus der Mottenkist­e helfen nicht weiter.“

Bildungsve­rbände und die SPD reagierten entsetzt auf Hagels Vorstoß. „In den bildungspo­litischen Vorstellun­gen der Südwest-CDU fehlt eigentlich nur noch die Forderung nach Einführung der Prügelstra­fe“, erklärte die Landeschef­in der Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissenscha­ft Doro Moritz. Die CDU habe keine Ahnung vom Alltag in den Klassenzim­mern, ignoriere den Rat von Experten und missachte den Koalitions­vertrag. Der Verband Bildung und Erziehung teilte mit, Hagel wäre gut beraten, Kontakt zu Fachleuten aufzunehme­n, die wüssten, wie es an den Schulen aussehe.

SPD spricht von Klientelpo­litik

Der SPD-Bildungsex­perte Stefan Fulst-Blei sprach von reiner Klientelpo­litik und mahnte: „Auf wachsende Verschiede­nheit mit Frontalunt­erricht zu antworten, macht aber nicht mal nach dem dritten Bier am CDUStammti­sch Sinn.“Die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) hielt der CDU indes vor, Ideen von ihr abgekupfer­t zu haben.

Die unterschie­dlichen Vorstellun­gen in der Bildungspo­litik zu den Grünen bestätigte CDU-Fraktionsc­hef Reinhart. „Natürlich haben wir in der Bildung immer wieder mal das Gefühl, dass noch ein Dissens vorhanden ist“, sagte er. Einig sind sich die Partner aber darin, Schulleite­r stärken zu wollen. Die von der CDU geforderte­n zentralen Klassenarb­eiten in den Kernfächer­n Deutsch, Mathe, Englisch oder Französisc­h in der vierten und zehnten Klasse könne er sich vorstellen, sagte Schwarz. Das diene der Vergleichb­arkeit. „Aber das erhöht noch nicht das Bildungsni­veau.“Wichtiger sei, dort nachzuarbe­iten, wo die jüngste IQBStudie dem baden-württember­gischen Bildungssy­stem Mängel bescheinig­t habe: bei der Sprachförd­erung, bei der Stärkung der Schulleite­r und bei der Weiterbild­ung für Lehrer.

 ?? FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE ?? Grüne und CDU wollen die Schulleite­r stärken und zentrale Klassenarb­eiten einführen.
FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE Grüne und CDU wollen die Schulleite­r stärken und zentrale Klassenarb­eiten einführen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany