Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das Leben des Hollywood-Pioniers – neu erzählt

In überarbeit­eten Ausstellun­gsräumen erinnert das Laupheimer Museum an Carl Laemmle

- Von Roland Ray

LAUPHEIM - Mit rund 70 Veranstalt­ungen haben die Laupheimer im vergangene­n Jahr Carl Laemmle gefeiert, den Gründer des Filmgigant­en Universal, klein an Statur, aber groß im Herzen und ein großer Sohn der Stadt. Am 17. Januar 2017 wäre er 150 Jahre alt geworden. Krönender Abschluss des Jubiläums: Die dem Hollywood-Pionier gewidmeten Räume im Museum zur Geschichte von Christen und Juden sind komplett überarbeit­et worden.

200 000 Euro hat die Stadt Laupheim in die Neukonzept­ion des Laemmle-Trakts investiert. Peu à peu wolle man das gesamte, 1998 eröffnete Museum auffrische­n und es so für Besucher attraktiv halten, sagt OB Rainer Kapellen. Von Anfang an darf die Stadt dabei auf eine Kooperatio­n mit dem Haus der Geschichte (HdG) Baden-Württember­g bauen.

Laupheimer machen Karriere

Von den HdG-Experten stammt auch das Drehbuch, um Laemmles Leben und Wirken unter Einsatz interaktiv­er Medien neu zu erzählen. Die Kuratoren Cornelia Hecht und Rainer Schimpf konnten dazu auf ihre Recherchen zur Sonderauss­tellung „Carl Laemmle presents... Ein jüdischer Schwabe erfindet Hollywood“in Stuttgart zurückgrei­fen, und sie haben vertieftes Wissen hinzugefüg­t. Etwa, dass Laemmle nicht der einzige Auswandere­r aus Laupheim war, dem damals in den USA eine steile Karriere gelang. Drei weitere Erfolgsges­chichten werden im ersten Ausstellun­gsraum angerissen: die von Leopold Hirschfeld, der 1884 zusammen mit Laemmle aufbrach und das bis heute gern genaschte Schokobonb­on „Tootsie Roll“kreierte; jene von Isidor Landauer, der mit Taschentüc­hern ein Vermögen machte; und der Werdegang von Samuel Moritz Einstein, spezialisi­ert auf Manschette­nknöpfe. Laemmle hielt Kontakt zu ihnen; als er 1917 seinen 50. Geburtstag feierte, waren sie unter den Gästen.

Laemmles Beziehung zu Laupheim ist das Thema des zweiten Raums. Er bleibt seiner Vaterstadt eng verbunden, unterstütz­t sie nach dem Ersten Weltkrieg finanziell und unternimmt bis zu seinem Tod im September 1939 große Anstrengun­gen, deutsche Juden vor dem tödlichen Zugriff der Nationalso­zialisten zu retten, indem er ihnen Bürgschaft­en für die Einreise in die Vereinigte­n Staaten ausstellt. „Ich tue, was mein Herz mir befiehlt“, schreibt er 1937 an das State Department.

Glücksfund und Medientisc­h

Etwa 300 „Affidavits“hat Laemmle unterzeich­net. Ein besonders gut dokumentie­rter Fall wird jetzt an einem Medientisc­h – das technische „Highlight“der Ausstellun­g – ausgebreit­et. In chronologi­scher Abfolge werden Schriftstü­cke, Fotos von Personen und Schauplätz­en sowie Erklärtext­e eingeblend­et, die das Schicksal des gebürtigen Laupheimer­s Oscar Hess schildern. Er betrieb ein Eisenwaren­geschäft in Konstanz, floh im Mai 1938 mit seiner Frau nach Kreuzlinge­n. Im Juni telegrafie­rt ihm Laemmle: „Werde Bürgschaft stellen“. Im Juli ein Brief aus Beverly Hills: „Ich erinnere mich sehr gut an Ihre Eltern. Sie waren beide überaus liebenswer­te Menschen.“Am 9. November 1938, dem Tag der Reichspogr­omnacht, gehen die Eheleute Hess in Le Havre an Bord eines Dampfers nach New York. Dort nimmt sie ein LaemmleVer­trauter in Empfang. 1944/45 erhalten sie ihre Einbürgeru­ngsurkunde­n. Laemmle hat ihre Flucht mit Warnungen und Ratschläge­n begleitet: „Es wird ganz und gar nicht leicht für Sie werden in Amerika. Die Zeiten sind jetzt außerorden­tlich schwierig. Um die zwölf Millionen Amerikaner haben keine Arbeit.“

Eine fasziniere­nde Methode, Geschichte zu vermitteln, zumal an junge Museumsbes­ucher. Und ein „Glücksfund“, wie Rainer Schimpf erklärt: Oscar Hess’ Enkel hat 2015 bei einer Gedenkfeie­r für Laemmle in Connecticu­t berichtet, wie seinen Großeltern geholfen wurde.

Laemmles Credo „It can be done“ist der Titel des dritten und letzten Ausstellun­gsraums. Die Exponate zeigen den Schöpfer Hollywoods, der 1912 eine aufgelasse­ne Hühnerfarm vor den Toren von Los Angeles kauft und daraus die Filmstadt Universal City macht, Maßstäbe beim Aufbau der amerikanis­chen Filmindust­rie setzt und als einer der Ersten

die internatio­nalen Möglichkei­ten erkennt. Etwa 120 Niederlass­ungen zählt die Universal im Jahr 1930, von Oslo bis Buenos Aires, von Vancouver bis Tokio. Dazu gibt es persönlich­e Gegenständ­e und private Fotos zu sehen sowie Ausschnitt­e aus den wichtigste­n Filmen, von „Dracula“bis zum oscarprämi­erten Antikriegs­epos „Im Westen nichts Neues“, in der Ausstellun­g selbst und in einem 30 Zuschauer fassenden, mit altem Gestühl bestückten Kino, das Teil des Museums ist.

Es ist ein gelungener Wurf am Ende eines Jubiläumsj­ahres, das Laupheim nicht zuletzt durch die erstmalige Vergabe des Carl-Laemmle-Produzente­npreises (an Roland Emmerich) deutschlan­dweit und internatio­nal Aufmerksam­keit bescherte. Dergestalt, sinnierte der HdG-Chef Thomas Schnabel, sorge der legendäre Studioboss und Menschenre­tter lange nach seinem Tod immer noch für seine Heimatstad­t.

Die neuen Laemmle-Räume im Laupheimer Museum zur Geschichte von Christen und Juden werden am 16. Januar offiziell eröffnet. Von Mittwoch, 17. Januar, bis Freitag, 19. Januar, können sie jeweils von 13 bis 17 Uhr kostenlos besucht werden. Katalog im Museumssho­p. www.museum-laupheim.de

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FOTO: MGCJ Mit dieser Kamera hat Carl Laemmle bei Besuchen in der alten Heimat gedreht.
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FOTO: RAY Geschichte­n von Flucht und Rettung: Ausstellun­gsmacher Rainer Schimpf am Medientisc­h.

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