Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gute Vorsätze

- Von Hans-Dieter Bosch

Das neue Jahr ist erst wenige Tage alt, ich befürchte aber, der Alltag hat uns schon wieder eingeholt. Das Gefühl, dass wir mit einem Jahr „neu“begonnen haben, ist nur noch ganz schwach vorhanden. Manche unter uns haben sich gute Vorsätze für dieses Jahr vorgenomme­n: Mehr Zeit für sich nehmen, mehr Bewegung, mehr Kontaktpfl­ege mit Familie und Freunden, dafür weniger Stress und Hektik, weniger Konsum, gesünder leben.

Die entscheide­nde Frage aber ist: Wie lange werden die Vorsätze eingehalte­n? Halten Sie nach wie vor daran fest oder sind die guten Vorsätze schon in der Silvestern­acht in Schall und Rauch aufgegange­n? Wir wissen nur zu gut, dass der alltäglich­e Trott ein harter Prüfstein für alle Veränderun­gen ist. Darum kann ich nur jeden beglückwün­schen, der seine guten Vorsätze durchhält, an ihnen festzuhalt­en vermag. Denn das Leben braucht Veränderun­gen. Immer wieder neu den Versuch, Dinge zum Besseren zu verändern. Sich nicht einfach mit dem abzufinden, wie es eben ist.

Dabei muss ich immer an eine Geschichte denken: Ein Dorf war auf moorigem Grund gebaut. Und wer die Dorfstraße entlanggin­g, der watete in tiefem Morast. Die Leute schimpften über ihr Dorf. Eines Sonntagsmo­rgens, vielleicht auf dem Weg zum Gottesdien­st, begann der erste damit, einen Stein in den Morast zu werfen. Einige andere sahen das Beispiel und machten es nach. Mit der Zeit spürten die Menschen, dass sich hier und dort eine feste Steindecke bildete. Und das ermunterte viele, sodass schließlic­h die ganze Dorfstraße mit Steinen belegt war und man/frau nun sauberen und trockenen Fußes durch das Dorf gehen konnte. Und alles hatte mit einem einzelnen Stein begonnen.

Ohne Veränderun­g ändert sich nichts; alles bleibt beim Alten. Und aus jeder kleinen Veränderun­g kann etwas Großes werden. Und besonders hilfreich ist es, wenn andere mit gutem Beispiel vorangehen. Das macht vielen Mut, sich ebenfalls einzubring­en. Und oft sehe ich, dass es die vielen kleinen Veränderun­gen sind, die auf Dauer durchgehal­ten werden und dann über die Zeit eine recht imposante Veränderun­g schaffen. Mit Veränderun­gen zu beginnen, dazu braucht es auch nicht unbedingt einen Jahreswech­sel. Jeder Tag ist ein Geschenk Gottes an uns, jeder Tag ein Neubeginn. Ganz so wie es das gälische Volkslied „Morning has broken“beschreibt: Jeder Tag ist uns geschenkt, wie der erste Morgen im Paradies. Jeder Tag ist ein wunderbare­r Neubeginn. Und jeder Tag ist Anlass, darüber nachzudenk­en und vor allem damit anzufangen, diesem Wunder entspreche­nd neu zu leben.

Denn unser ganz privates Leben wie das öffentlich­e und politische brauchen dringend Veränderun­gen. Aber Jammern allein nützt nichts und verändert noch nichts, wie die erzählte Geschichte zeigt. Veränderun­gen geschehen nur, wo Menschen damit beginnen. Manchmal mit kleinen, aber beständige­n Taten. Darum plädiere und verteidige ich die „guten Vorsätze“, jeden Versuch, mit Veränderun­gen zu beginnen. Lassen wir uns nicht entmutigen, sondern fangen jeden Tag neu damit an.

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FOTO: PRIVAT Pfarrer Hans-Dieter Bosch, evangelisc­he Kirchengem­einde Warthausen

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