Schwäbische Zeitung (Biberach)
Gute Vorsätze
Das neue Jahr ist erst wenige Tage alt, ich befürchte aber, der Alltag hat uns schon wieder eingeholt. Das Gefühl, dass wir mit einem Jahr „neu“begonnen haben, ist nur noch ganz schwach vorhanden. Manche unter uns haben sich gute Vorsätze für dieses Jahr vorgenommen: Mehr Zeit für sich nehmen, mehr Bewegung, mehr Kontaktpflege mit Familie und Freunden, dafür weniger Stress und Hektik, weniger Konsum, gesünder leben.
Die entscheidende Frage aber ist: Wie lange werden die Vorsätze eingehalten? Halten Sie nach wie vor daran fest oder sind die guten Vorsätze schon in der Silvesternacht in Schall und Rauch aufgegangen? Wir wissen nur zu gut, dass der alltägliche Trott ein harter Prüfstein für alle Veränderungen ist. Darum kann ich nur jeden beglückwünschen, der seine guten Vorsätze durchhält, an ihnen festzuhalten vermag. Denn das Leben braucht Veränderungen. Immer wieder neu den Versuch, Dinge zum Besseren zu verändern. Sich nicht einfach mit dem abzufinden, wie es eben ist.
Dabei muss ich immer an eine Geschichte denken: Ein Dorf war auf moorigem Grund gebaut. Und wer die Dorfstraße entlangging, der watete in tiefem Morast. Die Leute schimpften über ihr Dorf. Eines Sonntagsmorgens, vielleicht auf dem Weg zum Gottesdienst, begann der erste damit, einen Stein in den Morast zu werfen. Einige andere sahen das Beispiel und machten es nach. Mit der Zeit spürten die Menschen, dass sich hier und dort eine feste Steindecke bildete. Und das ermunterte viele, sodass schließlich die ganze Dorfstraße mit Steinen belegt war und man/frau nun sauberen und trockenen Fußes durch das Dorf gehen konnte. Und alles hatte mit einem einzelnen Stein begonnen.
Ohne Veränderung ändert sich nichts; alles bleibt beim Alten. Und aus jeder kleinen Veränderung kann etwas Großes werden. Und besonders hilfreich ist es, wenn andere mit gutem Beispiel vorangehen. Das macht vielen Mut, sich ebenfalls einzubringen. Und oft sehe ich, dass es die vielen kleinen Veränderungen sind, die auf Dauer durchgehalten werden und dann über die Zeit eine recht imposante Veränderung schaffen. Mit Veränderungen zu beginnen, dazu braucht es auch nicht unbedingt einen Jahreswechsel. Jeder Tag ist ein Geschenk Gottes an uns, jeder Tag ein Neubeginn. Ganz so wie es das gälische Volkslied „Morning has broken“beschreibt: Jeder Tag ist uns geschenkt, wie der erste Morgen im Paradies. Jeder Tag ist ein wunderbarer Neubeginn. Und jeder Tag ist Anlass, darüber nachzudenken und vor allem damit anzufangen, diesem Wunder entsprechend neu zu leben.
Denn unser ganz privates Leben wie das öffentliche und politische brauchen dringend Veränderungen. Aber Jammern allein nützt nichts und verändert noch nichts, wie die erzählte Geschichte zeigt. Veränderungen geschehen nur, wo Menschen damit beginnen. Manchmal mit kleinen, aber beständigen Taten. Darum plädiere und verteidige ich die „guten Vorsätze“, jeden Versuch, mit Veränderungen zu beginnen. Lassen wir uns nicht entmutigen, sondern fangen jeden Tag neu damit an.