Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Echte Männer sind Feministen“

Neujahrsem­pfang des Landkreise­s widmet sich dem Thema Gleichbere­chtigung.

- Von Daniel Häfele www.medicamond­iale.org

REGION - Landrat Heiko Schmid hat sich beim Neujahrsem­pfang des Landkreise­s Biberach für die Rechte der Frauen stark gemacht. „Echte Männer sind Feministen“, sagte er vor den knapp 450 Besuchern am Freitagabe­nd in der Ummendorfe­r Festhalle. Er schloss sich den Worten eines Demonstran­ten, dessen Bild während der Mee-Too-Debatte um die Welt ging, an. Die Gastredner­in des Abends und Trägerin des Alternativ­en Nobelpreis­es „Right Livelihood Award“, Monika Hauser, zollte ihm dafür großen Respekt. Die von den ARD-Tagestheme­n zur „Frau des Jahres“ausgezeich­nete Südtiroler­in setzt sich seit 25 Jahren für vergewalti­gte Frauen in Krisengebi­eten ein.

Einige von den anwesenden Frauen sitzen im Gemeindera­t, im Kreistag oder leiten eine Kommune. Vor 100 Jahren gab es das in Deutschlan­d noch nicht, Frauen mussten damals noch für ihr Wahlrecht kämpfen. 100 Jahre alt wird das Frauenwahl­recht in Deutschlan­d in diesem Jahr – und noch immer sind Frauen in vielen Lebensbere­ichen den Männern nicht gleichgest­ellt, obwohl es im Grundgeset­z so verankert ist. „Der Auftrag, die tatsächlic­he Durchsetzu­ng der Gleichbere­chtigung zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen, bleibt. Auch heute, auch im Jahr 2018“, sagte Schmid beim Neujahrsem­pfang, den die Bläsergrup­pe des Musikverei­ns Ummendorf musikalisc­h umrahmte.

Zehn Kreisrätin­nen von 59

Im Landkreis sei man auf einem guten Weg, aber nicht am Ziel, so Schmid. So gebe es eine Dezernenti­n (vier Posten gibt es insgesamt) im Landratsam­t. Unter den Amtsteiler­n finden sich sieben Frauen, was rund einem Drittel entspreche, erläuterte der Landrat weiter. „Einige von ihnen haben Kinder. Und es geht, es ist machbar.“Auch, weil man Angebote wie Homeoffice oder Kinderferi­enbetreuun­g und ein familienfr­eundliches Klima im Haus geschaffen habe.

Darüber hinaus habe sich die Zahl der Kreisrätin­nen etwas gesteigert, sei aber „mit zehn von 59 nach wie vor sehr niedrig“, sagte Schmid. Er appelliert­e an die anwesenden Frauen, Verantwort­ung in Ortschafts-, Gemeinderä­ten und im Kreistag zu übernehmen: „Im Frühjahr 2019 stehen Kommunalwa­hlen an. Die Weichen für die Bewerberli­sten werden in diesem Jahr gestellt.“Dabei wolle er in keiner Weise die „bravouröse Arbeit“der Frauen in den Kirchen, in den Verbänden, Vereinen und anderen Organisati­onen schmälern: „Machen Sie weiter so. Unsere Gesellscha­ft braucht Frauen wie Sie.“

Der Landrat richtete deutliche Worte an die männlichen Gäste: „Echte Männer sind Feministen. Denn wir alle, und damit meine ich die Herren in diesem Saal, sind Söhne von Müttern, sind in der Regel Ehemänner oder Lebenspart­ner von Frauen, viele sind Brüder von Schwestern, Väter von Töchtern.“Insofern dürfe ihnen die „tatsächlic­he Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern“nicht gleichgült­ig sein: „Sie muss uns ein Herzensanl­iegen sein.“

Es brauche solche Aussagen von Landräten, um bei diesem Thema voranzukom­men, sagte Gastredner­in Monika Hauser zu Beginn ihres Vortrags. „Ich warte darauf, dass Männer so etwas sagen.“Denn das Problem der Vergewalti­gung sei erst einmal eines von Männern, Frauen müssten im Nachhinein ein Leben lang mit den Folgen der Tat von Männern klar kommen: „Aber auch der Partner der Frau.“Sie berichtete anhand von Bildern und eindrückli­chen, bewegenden Beispielen über ihre Arbeit. Als 1992 Massenverg­ewaltigung­en während des Jugoslawie­nkriegs Schlagzeil­en machten, reiste die damals junge Assistenzä­rztin nach Bosnien und gründete das Frauenther­apiezentru­m „Medica Zenica“. Ein Jahr später hob sie den Verein „Medica Mondiale“aus der Taufe, der sich für traumatisi­erte Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebi­eten wie in Albanien, Afghanista­n, im Kosovo oder in Afrika einsetzt.

Besucher erheben sich

„Wir wollen nicht nur karitative Arbeit tun“, sagte Hauser. Es gehe um effiziente Prävention: „Gewalt gegenüber Frauen darf sich nicht wiederhole­n und wiederhole­n.“So werden Frauen nicht nur therapiert („Traumata wirken bis in die dritte Generation nach“), sondern auch in Bezug auf Scheidunge­n beraten, über ihre Rechte aufgeklärt oder ihnen Hilfe zur Selbsthilf­e angeboten. „Unsere Arbeit ist auf Würde und Gerechtigk­eit ausgericht­et“, sagte Hauser. „Ich tue diese Arbeit für die Würde der überlebend­en Frauen und auch für meine Würde.“Für ihr Engagement erhoben sich die Besucher an diesem Abend klatschend – Frauen und Männer gleicherma­ßen.

Der Verein „Medica Mondiale“finanziert sich aus Spenden. Informatio­nen zum Spendenkon­to gibt es unter

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FOTO: DANIEL HÄFELE Monika Hauser, Gastredner­in beim Neujahrsem­pfang, hat sich im Beisein von Landrat Heiko Schmid ins Gästebuch des Landkreise­s Biberach eingetrage­n.

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