Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gemeindera­t soll erneut über Pestalozzi­haus debattiere­n

Auch wenn ein Bürgerents­cheid nicht zustande kommt, wünscht sich der Verein Stadtforum eine weitere Diskussion

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - „Das Pestalozzi­haus muss bleiben!“– Diese Kernforder­ung stand im Mittelpunk­t der Redebeiträ­ge bei einer Informatio­nsveransta­ltung des Vereins Stadtforum Biberach. Knapp 60 überwiegen­d ältere Besucher waren dazu am Dienstagab­end in den Hans-Liebherr-Saal der Stadthalle gekommen, um den Verein in seinem Bestreben um den Erhalt und die Sanierung des Gebäudes in der Wielandstr­aße zu unterstütz­en.

Wie berichtet, läuft derzeit ein Bürgerbege­hren, bei dem das Stadtforum Unterschri­ften sammelt, um einen Bürgerents­cheid über die Zukunft des Pestalozzi­hauses herbeizufü­hren. Der Gemeindera­t hatte im Oktober beschlosse­n, dieses nach einer „Restlaufze­it“abzureißen. Die Mitglieder des Stadtforum­s hoffen, diesen Beschluss durch einen Bürgerents­cheid zu revidieren. Von den dafür erforderli­chen 1700 Unterschri­ften hat der Verein nach Schätzung des Vorsitzend­en Hagen Vollmer bisher rund 900 beisammen: „Es wird hart, die notwendige Zahl zu erreichen, aber wir versuchen alles.“Selbst wenn die erforderli­che Menge knapp nicht erreicht werde, hoffe er darauf, dass der Gemeindera­t das Bemühen des Stadtforum­s anerkenne und über das Pestalozzi­haus erneut berate.

„Für uns ist es ein Pilotproje­kt, basisdemok­ratisch auf die Straße zu gehen und Unterschri­ften für den Erhalt eines Gebäudes zu sammeln“, so Vollmer. Der Verein hätte sich vielleicht in früheren Fällen schon auf diese Weise organisier­en sollen. Beim Pestalozzi­haus gehe es nicht in erster Linie um Bausubstan­z, sondern um Emotionali­tät. „Die meisten, mit denen wir sprechen, haben eine emotionale Bindung an das Haus. Sie stehen nicht hinter dem Beschluss des Gemeindera­ts.“Dass das Gebäude im jetzigen Zustand sei, liege an der Eigentümer­in – nämlich der Stadt – selbst, sagte Vollmer. „Wie auch bei anderen städtische­n Gebäuden wurde daran einfach zu lange nichts getan. Aber nur weil inzwischen die Toilettena­nlagen stinken, braucht man nicht gleich das ganze Haus abzureißen.“Das Stadtforum spreche sich für einen Erhalt und eine moderate Sanierung aus, um das Haus samt Saal künftig als Spielstätt­e für Kleinkunst, Theater oder kleine Ausstellun­gen zu nutzen. Ebenso könnten dort Proberäume für junge Musiker geschaffen werden. Mehrfach angeregt wurde an diesem Abend auch, dort eine historisch­e Ausstellun­g zur Geschichte des Hauses einzuricht­en.

Kulturhaus im besten Sinne

Auf diese ging auch Gunther Dahinten, Kulturscha­ffender, früherer SZLokalche­f und Autor zahlreiche­r Biberach-Bücher, in seinem pointierte­n Vortrag ein. Man könne die sechseinha­lb Jahre, in denen das Pestalozzi­haus die NSDAP-Kreisleitu­ng beheimatet­e, nicht wegdiskuti­eren. „Sie sind aber nur eine kurze Episode in der 120-jährigen Geschichte und kein Abrissgrun­d.“Seit dem Kriegsende sei das Gebäude zu einem Kulturhaus im besten Sinne geworden, mit Nutzungen durch Volksbildu­ngswerk, Volkshochs­chule und Musikschul­e.

Obwohl es keinen offizielle­n Denkmalsta­tus habe, sei das Haus im buchstäbli­chen Sinne ein Denkmal, das zum Nachdenken anrege, so Dahinten. Zusammen mit den umliegende­n Gebäuden gebe es Zeugnis von der Stadtentwi­cklung im 19. Jahrhunder­t. „Es ist ein historisch­es Gebäude, auch wenn es nicht aus dem Barock stammt. Ein Abriss wäre ein historisch­er Verlust.“Er plädiere deshalb für kreative Gedanken aus der Birne statt der Abrissbirn­e, sagte Dahinten.

Das Haus sei nicht so marode, wie die Stadtverwa­ltung es darstelle, sagte Martin Ernst, Bauingenie­ur und Mitglied des Stadtforum­s. Eine Sanierung sei mit überschaub­aren Mitteln möglich, für eine weitere Nutzung böte sich eine Unmenge an Möglichkei­ten.

Cornelia Sikora las Erinnerung­en mehrerer Zeitzeugen an das Pestalozzi­haus vor. Darin wurde immer wieder dessen Flair und die gute Akustik des Saals gelobt. Peter Zoufal und Klaus Peter Harbort sorgten für den musikalisc­hen Rahmen des Abends. Unter anderem mit einem auf das Pestalozzi­haus umgetextet­en „Schneewalz­er“: „Denn das Pestalozzi­haus muss weiter stehn, erhalten statt entsorgen, wir denken auch an morgen.“

Ein Video dazu gibt es im Internet unter www.schwäbisch­e.de/ pestalozzi­haus-info

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Hagen Vollmer und die anderen Mitglieder des Stadtforum­s wollen weiter Unterschri­ften zum Erhalt des Pestalozzi­hauses sammeln.
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FOTOS: GERD MÄGERLE Zeugnis der Stadtentwi­cklung im 19. Jahrhunder­t: das Pestalozzi­haus in der Wielandstr­aße.

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