Schwäbische Zeitung (Biberach)
Überraschungen beim Hoßkircher Mordprozess
Freundin des Angeklagten sagt aus – Verteidiger werfen Polizei Versäumnisse bei der Ermittlung vor
HOSSKIRCH - Im Mordprozess gegen einen 35-Jährigen hat am Donnerstag vor dem Landgericht Ravensburg die Freundin des Angeklagten ausgesagt. Wie sie in der ersten Hälfte des Verhandlungstags schilderte, planten sie und der damals noch verheiratete 35-Jährige eine gemeinsame Zukunft, sobald er und seine Frau sich getrennt hätten. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, seine Ehefrau in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2017 erstickt und dann einen Autounfall vorgetäuscht zu haben, um die Tat zu vertuschen.
Nachdem an den vorangegangenen Verhandlungstagen immer wieder von den Schwierigkeiten in der Ehe zwischen dem Angeklagten und dessen 30-jähriger Frau die Rede gewesen war, sagte am Donnerstag die 29-jährige Freundin des Angeklagten aus. Mit ruhiger, leiser Stimme schilderte sie, wie sie und der Beschuldigte sich beim Arbeiten kennenlernten und wie innerhalb von fünf Monaten aus einer rein beruflichen Beziehung eine private und später eine Liebesbeziehung wurde. „Sehr offen, direkt und fürsorglich“, beschreibt die Zeugin den Charakter des Angeklagten. „Ich konnte immer zu ihm, er hatte ein offenes Ohr.“
In der Ehe unglücklich
Ihr gegenüber habe er auch über die Schwierigkeiten in seiner Ehe gesprochen und dass er nicht mehr glücklich sei. „Auf einmal hast du zwei kleine Kinder und bist zutiefst unglücklich und weißt nicht, wie du da rauskommen sollst.“So soll der 35-Jährige einmal seine Gefühlslage zusammengefasst haben. Zwischen Weihnachten und Neujahr 2017 hätten der Angeklagte und die Zeugin sich zum ersten Mal privat getroffen, seien spazieren gegangen, hätten sich zum ersten Mal geküsst.
Nach Aussage der Zeugin blieb es beim Austausch von Zärtlichkeiten, weiter seien sie nicht gegangen, auch weil die Zeugin die Trennung des Ehepaars abwarten wollte. „Ich wollte klare Verhältnisse. Erst sollte das eine abgeschlossen sein und dann das andere beginnen.“Das Wochenende, an dem die Tat passierte, hätten sie ursprünglich gemeinsam in Hoßkirch verbringen wollen. Die Zeugin sei zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass die Ehefrau ihres Freundes schon ausgezogen sei. Doch am Freitagmorgen habe er angerufen und gesagt, dass aus dem gemeinsamen Wochenende nichts werde. Er müsse sich um die Kinder kümmern, weil es seiner Frau nicht gut gehe. Die letzte Nachricht von ihm habe sie am Samstagabend bekommen, danach nichts mehr von ihm gehört. Am Sonntag habe sie von seiner Schwester erfahren, was passiert sei. „Ich bin froh, dass es ihm so weit wieder gut geht.“Für sie sei klar gewesen, dass eine dritte Person beteiligt gewesen sein müsse, denn dass er die Tat tatsächlich begangen habe, könne sie sich nicht vorstellen.
Leitender Ermittler in der Mangel
Im zweiten Teil des Verhandlungstages befand sich der Kriminalhauptkommissar im Zeugenstand, der die Ermittlungen geleitet und den Beschuldigten vergangene Woche schwer belastet hatte. Wie er ausgesagt hatte, komme für ihn nur der Angeklagte als Täter infrage, es gebe nicht ansatzweise Hinweise auf eine dritte Person. Aus Zeitgründen hatten die Verteidiger des Angeklagten dem Kommissar vergangene Woche keine Fragen mehr stellen können. Dies holten sie nun ausführlich nach.
Dabei sprachen sie mehrere Hinweise und Spuren an, die die Ermittler nicht weiterverfolgt hätten. Darunter einen Hundespaziergänger und ein Auto mit Biberacher Kennzeichen, die am Morgen des 26. Februar zu unterschiedlichen Zeiten am Unfallort gesehen worden seien. Und ein Bild, das mit der Kamera des Angeklagten an eben diesem Morgen aufgenommen worden war. „Sie halten der Polizei ganz schön viel vor“, schaltete sich der Vater der Getöteten ein und versuchte, das Handy-Foto damit zu erklären, dass die Kinder an diesem Morgen unbeaufsichtigt gewesen seien und mit dem Handy rumgespielt hätten. „Der Polizei ist noch nicht mal das Bild aufgefallen. Das ist das Problem“, so der Anwalt. Und präsentierte zwei gelöschte Nachrichten, die an den Angeklagten und seine Frau geschickt worden waren – am 26. Februar. „Das hinterlässt bei mir ein großes Fragezeichen“, fasste der Verteidiger zusammen. Der Absender der gelöschten Nachrichten, der von der Polizei nicht vernommen worden war, wird am nächsten Verhandlungstag am 30. Januar als Zeuge geladen.