Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Prostata – das unbekannte Organ
Expertenteam schreibt hilfreichen und einfühlsamen Therapiebegleiter für Paare
RAVENSBURG - Walnuss oder Mandarine? Nein, es geht hier nicht um Leckereien auf dem Nachtischteller, es geht um das Innenleben des Mannes. Denn diese Größenveränderung macht manche Prostata im Laufe der Zeit durch. Was in jungen Jahren gerade einmal 20 bis 25 Gramm wiegt, kann mit zunehmendem Alter bis auf 100 Gramm anwachsen und eben die Größe einer Mandarine annehmen, wie der Facharzt für Urologie, Georges F. Akoa Mbida, bei der Präsentation seines neuen Ratgebers „Prostatakrebs“im Medienhaus der „Schwäbischen Zeitung“sehr anschaulich geschildert hat.
Im Verbund mit Beiträgen von Professor Maximilian Burger, Regensburg, Privatdozent Wolfgang Otto, Regensburg, der Diplom Ökotrophologin Wiebke Endres aus Stockach und weiterer Spezialisten ist ein Buch entstanden, das Betroffenen und Angehörigen als Therapiebegleiter über die schwierige Zeit von der Diagnose bis zur Rückkehr in den Alltag helfen soll. Wie wichtig solch ein Buch ist, erlebt Akoa tagtäglich. Als leitender Urologe im Parksanatorium Aulendorf, Fachklinik für Onkologische Rehabilitation der Waldburg-Zeil Kliniken, kennt er die große Unwissenheit seiner männlichen Patienten um das auch heute noch tabuisierte Thema.
„Erst wenn sie an Krebs erkranken, nehmen viele Männer wahr, dass sie eine Prostata haben“, brachte Akoa die Situation bei der Buchvorstellung drastisch auf den Punkt.
Seine unwirklich erscheinende Behauptung unterfütterte er mit einer erst kürzlich wieder gemachten Erfahrung: Ein Krebspatient stellte sich bei ihm vor, bei dem sich schon Metastasen gebildet hatten. „Aber ich war doch regelmäßig beim Arzt zum Check-up“, beteuerte er. Allerdings hatte er nie eine Vorsorgeuntersuchung beim Urologen gemacht. Auch eine Bestimmung des PSA-Wertes (PSA = prostataspezifisches Antigen), der Hinweise auf eine Veränderung der Prostata geben kann, war unterblieben. Erst als bei seinem Freund ein Tumor diagnostiziert worden war, ging er zum Facharzt.
Vorsorge ist nicht cool
Für Akoa sind solche Krankheitsgeschichten sehr bedrückend. Schließlich weiß er genau, dass bei einer rechtzeitigen Diagnose dieses Tumors große Heilungschancen bestehen. Prostatakrebs ist zwar der häufigste bösartige Tumor bei Männern, aber er kann dank verschiedener Methoden wirklich frühzeitig entdeckt werden. Doch Vorsorge ist halt nicht cool. Ellio Schneider, Geschäftsführer der Waldburg-Zeil Kliniken, zweifelt deshalb auch am Erfolg von Strategien wie Ermahnungen, Aufforderungen und Belohnungssystemen der Krankenkassen, um Männer zur Vorsorgeuntersuchung zu bewegen, die ihnen ab 45 Jahren empfohlen
wird. Es müsste zur lockeren Selbstverständlichkeit gehören, dass man sich eben auch um dieses Geschlechtsorgan kümmert.
Die sogenannte Vorsteherdrüse ist für die Fortpflanzung unverzichtbar und für das Lustempfinden nicht unerheblich. Da Krankheit und Therapie nicht ohne Einfluss auf das Sexualleben bleiben, widmen sich die Autoren auch diesem Themenbereich mit großem Einfühlungsvermögen. „Gemeinsam schaffen wir das“, heißt es deshalb im Werbeflyer für den Ratgeber. Damit werden bewusst auch Frauen mit einbezogen.
Dass die Diagnose Krebs zunächst alle Beteiligten in einen Schockzustand versetzt, ist nachvollziehbar. Dann wird nach Informationen gesucht, denn viele Entscheidungen stehen an. Welche Therapie, welche Klinik, welcher Arzt, welche Chance? Inzwischen ist heute aber nicht mehr die Frage entscheidend, ob man dazu Informationen erhält, sondern ob diese auch solide sind.
Aus diesem Grund haben sich die Experten ans Schreiben gemacht. Und das mit großem Engagement. In diesem ansprechend aufgemachten und in einer respektablen Auflage von 8000 Stück verlegten Ratgeber bekommt der Leser Antworten auf die vielen anstehenden Fragen, und darüber hinaus finden sich noch
zahlreiche Beiträge zu ergänzenden Themen. Eingangs widmet sich das Buch sehr ausführlich dem Entstehen von Prostatakrebs, dann den verschiedenen Methoden der Diagnose und schließlich der Therapie. Gerade diese Therapie ist ein weites Feld, denn es bestehen bei kaum einer anderen Krebserkrankung so viele Optionen wie beim Prostatakarzinom.
In dem Kapitel „Nach der Therapie“finden sich Hinweise zur Beantragung einer Reha-Maßnahme und Selbsthilfegruppen genauso wie Empfehlungen zur Verbesserung der Harninkontinenz und Hinweise zum Umgang mit Erektionsstörungen und psychischen Belastungen. Ein für Krebspatienten allgemein wichtiges Kapitel sind auch Ernährungsempfehlungen. „Man kann den Krebs nicht wegessen“, sagt Wissenschaftlerin Endres. Aber durch richtig ausgewähltes Essen stabilisiere sich gerade während der Chemo der Ernährungszustand, die Therapie schlage besser an und die Nebenwirkungen würden reduziert, erklärt Endres.
Fazit: Ein hilfreicher Begleiter durch eine schwierige Lebensphase, der vor allem Mut macht.
Akoa/Burger/Otto: „Prostatakrebs“. 232 Seiten. Trias. 24,99 Euro. ISBN 978-3-432-10111-8. Auch als E-Book erhältlich.