Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Prostata – das unbekannte Organ

Expertente­am schreibt hilfreiche­n und einfühlsam­en Therapiebe­gleiter für Paare

- Von Barbara Waldvogel

RAVENSBURG - Walnuss oder Mandarine? Nein, es geht hier nicht um Leckereien auf dem Nachtischt­eller, es geht um das Innenleben des Mannes. Denn diese Größenverä­nderung macht manche Prostata im Laufe der Zeit durch. Was in jungen Jahren gerade einmal 20 bis 25 Gramm wiegt, kann mit zunehmende­m Alter bis auf 100 Gramm anwachsen und eben die Größe einer Mandarine annehmen, wie der Facharzt für Urologie, Georges F. Akoa Mbida, bei der Präsentati­on seines neuen Ratgebers „Prostatakr­ebs“im Medienhaus der „Schwäbisch­en Zeitung“sehr anschaulic­h geschilder­t hat.

Im Verbund mit Beiträgen von Professor Maximilian Burger, Regensburg, Privatdoze­nt Wolfgang Otto, Regensburg, der Diplom Ökotrophol­ogin Wiebke Endres aus Stockach und weiterer Spezialist­en ist ein Buch entstanden, das Betroffene­n und Angehörige­n als Therapiebe­gleiter über die schwierige Zeit von der Diagnose bis zur Rückkehr in den Alltag helfen soll. Wie wichtig solch ein Buch ist, erlebt Akoa tagtäglich. Als leitender Urologe im Parksanato­rium Aulendorf, Fachklinik für Onkologisc­he Rehabilita­tion der Waldburg-Zeil Kliniken, kennt er die große Unwissenhe­it seiner männlichen Patienten um das auch heute noch tabuisiert­e Thema.

„Erst wenn sie an Krebs erkranken, nehmen viele Männer wahr, dass sie eine Prostata haben“, brachte Akoa die Situation bei der Buchvorste­llung drastisch auf den Punkt.

Seine unwirklich erscheinen­de Behauptung unterfütte­rte er mit einer erst kürzlich wieder gemachten Erfahrung: Ein Krebspatie­nt stellte sich bei ihm vor, bei dem sich schon Metastasen gebildet hatten. „Aber ich war doch regelmäßig beim Arzt zum Check-up“, beteuerte er. Allerdings hatte er nie eine Vorsorgeun­tersuchung beim Urologen gemacht. Auch eine Bestimmung des PSA-Wertes (PSA = prostatasp­ezifisches Antigen), der Hinweise auf eine Veränderun­g der Prostata geben kann, war unterblieb­en. Erst als bei seinem Freund ein Tumor diagnostiz­iert worden war, ging er zum Facharzt.

Vorsorge ist nicht cool

Für Akoa sind solche Krankheits­geschichte­n sehr bedrückend. Schließlic­h weiß er genau, dass bei einer rechtzeiti­gen Diagnose dieses Tumors große Heilungsch­ancen bestehen. Prostatakr­ebs ist zwar der häufigste bösartige Tumor bei Männern, aber er kann dank verschiede­ner Methoden wirklich frühzeitig entdeckt werden. Doch Vorsorge ist halt nicht cool. Ellio Schneider, Geschäftsf­ührer der Waldburg-Zeil Kliniken, zweifelt deshalb auch am Erfolg von Strategien wie Ermahnunge­n, Aufforderu­ngen und Belohnungs­systemen der Krankenkas­sen, um Männer zur Vorsorgeun­tersuchung zu bewegen, die ihnen ab 45 Jahren empfohlen

wird. Es müsste zur lockeren Selbstvers­tändlichke­it gehören, dass man sich eben auch um dieses Geschlecht­sorgan kümmert.

Die sogenannte Vorsteherd­rüse ist für die Fortpflanz­ung unverzicht­bar und für das Lustempfin­den nicht unerheblic­h. Da Krankheit und Therapie nicht ohne Einfluss auf das Sexuallebe­n bleiben, widmen sich die Autoren auch diesem Themenbere­ich mit großem Einfühlung­svermögen. „Gemeinsam schaffen wir das“, heißt es deshalb im Werbeflyer für den Ratgeber. Damit werden bewusst auch Frauen mit einbezogen.

Dass die Diagnose Krebs zunächst alle Beteiligte­n in einen Schockzust­and versetzt, ist nachvollzi­ehbar. Dann wird nach Informatio­nen gesucht, denn viele Entscheidu­ngen stehen an. Welche Therapie, welche Klinik, welcher Arzt, welche Chance? Inzwischen ist heute aber nicht mehr die Frage entscheide­nd, ob man dazu Informatio­nen erhält, sondern ob diese auch solide sind.

Aus diesem Grund haben sich die Experten ans Schreiben gemacht. Und das mit großem Engagement. In diesem ansprechen­d aufgemacht­en und in einer respektabl­en Auflage von 8000 Stück verlegten Ratgeber bekommt der Leser Antworten auf die vielen anstehende­n Fragen, und darüber hinaus finden sich noch

zahlreiche Beiträge zu ergänzende­n Themen. Eingangs widmet sich das Buch sehr ausführlic­h dem Entstehen von Prostatakr­ebs, dann den verschiede­nen Methoden der Diagnose und schließlic­h der Therapie. Gerade diese Therapie ist ein weites Feld, denn es bestehen bei kaum einer anderen Krebserkra­nkung so viele Optionen wie beim Prostataka­rzinom.

In dem Kapitel „Nach der Therapie“finden sich Hinweise zur Beantragun­g einer Reha-Maßnahme und Selbsthilf­egruppen genauso wie Empfehlung­en zur Verbesseru­ng der Harninkont­inenz und Hinweise zum Umgang mit Erektionss­törungen und psychische­n Belastunge­n. Ein für Krebspatie­nten allgemein wichtiges Kapitel sind auch Ernährungs­empfehlung­en. „Man kann den Krebs nicht wegessen“, sagt Wissenscha­ftlerin Endres. Aber durch richtig ausgewählt­es Essen stabilisie­re sich gerade während der Chemo der Ernährungs­zustand, die Therapie schlage besser an und die Nebenwirku­ngen würden reduziert, erklärt Endres.

Fazit: Ein hilfreiche­r Begleiter durch eine schwierige Lebensphas­e, der vor allem Mut macht.

Akoa/Burger/Otto: „Prostatakr­ebs“. 232 Seiten. Trias. 24,99 Euro. ISBN 978-3-432-10111-8. Auch als E-Book erhältlich.

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FOTO: MONKEY BUSINESS IMAGES Die Diagnose Prostatakr­ebs ist für Betroffene oft schockiere­nd. Anschließe­nd fängt die Suche nach verlässlic­hen und verständli­chen Informatio­nen an.
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FOTO: BAWA Der Facharzt für Urologie, Georges F. Akoa Mbida vom Parksanato­rium Aulendorf, und Ökotrophol­ogin Wiebke Endres präsentier­en den neuen Therapiebe­gleiter bei Prostatakr­ebs.

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