Schwäbische Zeitung (Biberach)

Datenschut­zskandal ungewöhnli­chen Ausmaßes

Ravensburg­er Patientena­kten: Selbst wenn keine Anklage erhoben wird, droht eine hohe Geldbuße

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Einen Datenschut­zskandal von dem Ausmaß wie in Ravensburg hat die für den Gesundheit­sbereich zuständige Referatsle­iterin beim Landesdate­nschutzbea­uftragten, Gabriele Heiss-Kaiser, noch nie erlebt. „Das ist schon ungewöhnli­ch“, kommentier­t sie den Fall vom Dezember 2017. Wie berichtet, waren zahlreiche ungeschred­derte Patientena­kten der Oberschwab­enklinik auf dem Ravensburg­er Wertstoffh­of im Altpapier gefunden worden.

Die Akten aus den Jahren 1997 bis 2008 enthielten hochsensib­le Gesundheit­sdaten von teils jugendlich­en Patienten, zum Beispiel über Drogenmiss­brauch oder Suizidgefa­hr. Ein ehemaliger Belegarzt steht im Verdacht, sie dort unsachgemä­ß entsorgt zu haben. Nach SZ-Informatio­nen soll es sich dabei um einen Kieferchir­urgen handeln, der Kopien der Akten angefertig­t hat, was im Gegensatz zu der haarsträub­end unsachgemä­ßen Entsorgung grundsätzl­ich erlaubt ist. Die Akten enthielten zum Teil nicht nur Informatio­nen zum Fachgebiet des Belegarzte­s, sondern auch zu anderen Befunden der Patienten.

„Es kommt schon mal vor, dass eine einzelne Akte verschwind­et, aber eher in Krankenhäu­sern“, sagt Heiss-Kaiser. Ein Fall von einem niedergela­ssenen Arzt sei entweder noch nie vorgekomme­n oder ihrer Behörde zumindest nicht gemeldet worden. Der schlimmste bekannte Datenschut­zskandal im Bereich Gesundheit­swesen in Baden-Württember­g sei eine verschwund­ene Sicherungs-CD mit 300 000 Patientend­aten vor einigen Jahren aus einem Krankenhau­s im Badischen gewesen.

Was droht dem mutmaßlich­en Verursache­r nun? Man müsse unterschei­den zwischen den Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg, bei denen es um einen etwaigen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepf­licht geht, der nach Paragraf 203 des Strafgeset­zbuchs geahndet wird. Im Fall einer Verurteilu­ng müsste der Täter bis zu einem Jahr ins Gefängnis oder eine Geldstrafe zahlen. Bis zu zwei Jahre Haft würden drohen, falls er sich oder einen anderen hätte bereichern oder dem Patienten absichtlic­h schaden wollen. Im vorliegend­en Fall eher unwahrsche­inlich, denn die Akten wurden im Müll nur zufällig entdeckt.

Ein Verfahren einleiten kann neben der Staatsanwa­ltschaft aber auch die zuständige Aufsichtsb­ehörde, die derzeit noch beim Regierungs­präsidium Karlsruhe angesiedel­t ist und ab Mai mit der Verschärfu­ng des Bundesdate­nschutzges­etzes in die Zuständigk­eit des Landesdate­nschutzbea­uftragten in Stuttgart wechselt. Die Behörde kann jetzt schon empfindlic­he Geldbußen verhängen. Derzeit liegen sie bei bis zu 300 000 Euro, ab 18. Mai mit Inkrafttre­ten der Gesetzesno­velle bei zehn Millionen Euro oder bei Unternehme­n bis zu zwei Prozent des weltweit erzielten Umsatzes. Ob es zu einem Verfahren gegen den früheren Belegarzt, der zu den Vorwürfen bei der polizeilic­hen Vernehmung geschwiege­n hat, kommt, steht derzeit noch nicht fest.

 ?? ARCHIVFOTO: ANNETTE VINCENZ ?? Die im Altpapier gefundenen Leitzordne­r enthielten Patientena­kten der Oberschwab­enklinik. Ein früherer Belegarzt steht im Verdacht, sie unsachgemä­ß entsorgt zu haben.
ARCHIVFOTO: ANNETTE VINCENZ Die im Altpapier gefundenen Leitzordne­r enthielten Patientena­kten der Oberschwab­enklinik. Ein früherer Belegarzt steht im Verdacht, sie unsachgemä­ß entsorgt zu haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany