Schwäbische Zeitung (Biberach)

Merkel warnt in Davos vor Abschottun­g

Kanzlerin empfiehlt multilater­ale Lösungen – Macron spricht von der EU als „Weltmacht“

- Von Tobias Schmidt politik@schwaebisc­he.de

DAVOS (dpa/sz/hko) - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat beim Weltwirtsc­haftsforum eindringli­ch vor Protektion­ismus und Abschottun­g gewarnt und ein Plädoyer für eine umfassende internatio­nale Zusammenar­beit gehalten. „Deutschlan­d will ein Land sein, das auch in Zukunft seinen Beitrag leistet, um gemeinsam in der Welt die Probleme der Zukunft zu lösen“, sagte Merkel am Mittwoch in Davos. Die Bundeskanz­lerin hatte sich aufgrund der schleppend­en Regierungs­bildung in Berlin erst kurzfristi­g zur Reise in die Schweiz entschiede­n.

Ohne US-Präsident Donald Trump zu erwähnen, der am Freitag in Davos spricht, sagte Merkel: „Wir glauben, dass Abschottun­g uns nicht weiterführ­t. Wir glauben, dass wir kooperiere­n müssen, dass Protektion­ismus nicht die richtige Antwort ist.“Wenn man der Meinung sei, dass die Dinge nicht fair zugingen, müssten multilater­ale und nicht unilateral­e Lösungen gesucht werden. Merkel räumte ein, dass es Zweifel bei vielen Menschen an diesem Weg gebe. Nationalis­mus, Populismus und die polarisier­ende Atmosphäre in vielen Staaten würden vielleicht auch durch die Sorge von Bürgern ausgelöst, die sich fragten, „ob die multilater­ale Kooperatio­n wirklich in der Lage ist, ehrlich, fair die Probleme der Menschen zu lösen“. Merkel sprach sich für ein entschloss­enes Vorgehen gegen den Rechtspopu­lismus aus. In der Flüchtling­s- und Migrations­krise nach 2015 hätten zudem viele Menschen befürchtet, ihnen werde etwas weggenomme­n.

In Sachen Verteidigu­ng mahnte die Kanzlerin erneut eine engere Zusammenar­beit der EU-Staaten in der Außenpolit­ik an. „Wir müssen unser Schicksal mehr in die eigene Hand nehmen“, sagte Merkel. „Die einheitlic­he europäisch­e Außenpolit­ik ist noch nicht ausreichen­d entwickelt.“Konkrete Antworten auf die EU-Reformvors­chläge des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron blieb sie jedoch schuldig.

Macron selbst sprach am Mittwoch ebenfalls in Davos. Der Franzose empfahl, eine europäisch­e Strategie für das nächste Jahrzehnt festzuzurr­en. Diese müsse darauf hinauslauf­en, dass die EU eine ökonomisch­e, soziale, ökologisch­e, wissenscha­ftliche und politische Weltmacht werde.

Paris und Brüssel müssen weiter auf Antworten aus Berlin warten. Die ersehnte europäisch­e Grundsatzr­ede von Kanzlerin Angela Merkel in Davos ist ausgeblieb­en. Statt zu erläutern, wie die Großbauste­llen in der Eurozone abgearbeit­et werden können, blieb die Kanzlerin einmal mehr vage.

Dabei hatten sich Union und SPD in ihren Sondierung­en auf einen Neustart der deutschen Europapoli­tik verständig­t. Kein präzises Wort der Kanzlerin jedoch über den Umbau der Währungsge­meinschaft, die Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker längst auf den Tisch gelegt haben. Die Hängeparti­e bei der Regierungs­bildung lähmt Merkel seit vier Monaten. Die Vorreiterr­olle Deutschlan­ds gerät in Vergessenh­eit, Macron übernimmt die Führung. Je länger das Tauziehen zwischen Union und SPD dauert, desto schwierige­r wird es, den Rückstand aufzuholen.

Immerhin: Die Kanzlerin macht in Davos eine klare Ansage an Donald Trump, unterstell­t dem USPräsiden­ten wegen dessen Protektion­ismus und „America first“-Politik Geschichts­vergessenh­eit, wirbt für gemeinsame Anstrengun­gen im Rahmen von UN und G20.

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