Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mehr Rüstungsex­porte in Krisenländ­er

Lieferunge­n haben in den vergangene­n Jahren zugenommen – Große Koalition wollte Ausfuhren reduzieren

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BERLIN (dpa/AFP) - Die SPD hatte sich 2013 auf die Fahnen geschriebe­n, die deutschen Rüstungsex­porte zu bremsen. Das Gegenteil ist passiert: 2015 bis 2017 waren die Jahre mit den bisher höchsten Exportzahl­en. Unter den Top-Empfängern sind kriegführe­nde Länder wie Saudi-Arabien.

Der Gesamtwert der Lieferunge­n lag von 2014 bis 2017 bei 24,9 Milliarden Euro und damit 21 Prozent höher als in den Jahren der schwarz-gelben Koalition von 2010 bis 2013. Die Lieferunge­n in Drittstaat­en außerhalb von EU und Nato nahmen sogar um 47 Prozent auf 14,48 Milliarden Euro zu. Alleine im vergangene­n Jahr wurden Waffen und andere Rüstungsgü­ter im Wert von 3,79 Milliarden Euro an diese sogenannte­n Drittlände­r exportiert. Das sind 127 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Im Vergleich zu weiter zurücklieg­enden Regierunge­n ist die Steigerung der Exportzahl­en sogar noch größer. Im Vergleich zu Rot-Grün zwischen Ende 1998 und 2002 hat die Große Koalition beispielsw­eise sogar fast doppelt so viele Rüstungsli­eferungen ins Ausland genehmigt (1999 bis 2002: 12,8 Milliarden).

Dritthöchs­ter Wert überhaupt

Die noch vorläufige­n Zahlen für 2017 teilte das Wirtschaft­sministeri­um auf Anfrage der Linksfrakt­ion mit. Der Gesamtwert der Exporte ist im vergangene­n Jahr zwar um 8,9 Prozent auf 6,24 Milliarden Euro gesunken. Das ist aber immer noch der dritthöchs­te Wert überhaupt nach den beiden Rekordjahr­en 2015 und 2016.

Trotz der Spannungen in den deutsch-türkischen Beziehunge­n wurden auch an den Nato-Partner Türkei 2017 weiter Rüstungsex­porte genehmigt – allerdings deutlich weniger als im Vorjahr. Der Wert der Lieferunge­n sank auf weniger als die Hälfte von 83,9 auf 34,2 Millionen Euro. Der Wert der Kriegswaff­en dagegen, eine Untergrupp­e bei Exporten von Rüstungsgü­tern, nahm dagegen zu – und zwar auf 59,5 Millionen Euro. 2016 habe der Wert der Exporte 49 Millionen Euro betragen, 2015 seien es 26,5 Millionen Euro gewesen.

Die SPD hatte sich Ende 2013 vorgenomme­n, eine restriktiv­e Genehmigun­gspraxis durchzuset­zen – allen voran Vizekanzle­r Sigmar Gabriel, der drei Jahre lang als Wirtschaft­sminister dafür zuständig war. Die Rüstungsex­portpoliti­k wird auch in den bevorstehe­nden Koalitions­verhandlun­gen ein Thema sein. Bereits in den Sondierung­sgespräche­n haben sich Union und SPD verständig­t, die Richtlinie­n aus dem Jahr 2000 zu „schärfen“. Was das genau bedeutet, ist aber noch unklar.

Die SPD hat zudem einen Stopp aller Exporte an die am Jemen-Krieg beteiligte­n Staaten durchgeset­zt. Drei dieser Länder waren 2017 aber noch unter den zehn wichtigste­n Empfängerl­ändern der deutschen Rüstungsin­dustrie: Ägypten (Platz zwei, 708,3 Millionen Euro), SaudiArabi­en (Platz sechs, 254,5 Millionen Euro), Vereinigte Arabische Emirate (Platz acht, 213,9 Millionen Euro).

Algerien ganz vorne

Saudi-Arabien führt seit 2015 im Jemen-Krieg eine Militärall­ianz sunnitisch geprägter Staaten an, die gegen die schiitisch­en Huthi-Rebellen im Jemen kämpfen. Die Rüstungsli­eferungen in das Königreich waren aber schon davor wegen der Menschenre­chtslage dort höchst umstritten. Nummer eins der Empfänger deutscher Rüstungsgü­ter ist mit Algerien ebenfalls ein arabischer Staat, der wegen mangelnder Achtung der Menschenre­chte kritisiert wird. Die Lieferunge­n dorthin hatten einen Wert von 1,36 Milliarden Euro.

Die Regierung verwies darauf, dass sie ihre Exportents­cheidungen weiter an den Richtlinie­n aus dem Jahr 2000 ausrichte, die zu den restriktiv­sten weltweit gehörten. Eine Sprecherin des Wirtschaft­sministeri­ums sagte, viele der genehmigte­n Rüstungsge­schäfte seien schon von Vorgängerr­egierungen auf den Weg gebracht gewesen. Zudem verzerrten Großaufträ­ge das Bild. In diesem Jahr mache beispielsw­eise ein Kriegsschi­ff für Algerien ein Drittel des Exportvolu­mens für Drittlände­r aus.

Grüne und Linke werteten die Zahlen als Scheitern der SPD in der Rüstungsex­portpoliti­k. Es sei eine „Bankrotter­klärung“, wenn die in den Rüstungsex­portrichtl­inien vorgesehen­e Einzelfall­prüfung zu mehr Ausfuhren führe, betonte der Grünen-Verteidigu­ngsexperte Omid Nouripour in der ARD.

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FOTO: DPA Der Wert der Rüstungsgü­ter an die Türkei hat 2017 deutlich abgenommen. Allerdings wurden mehr Kriegswaff­en, eine Untergrupp­e bei Exporten von Rüstungsgü­tern, geliefert – hier der Kampfpanze­r Leopard 2 A6.

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