Schwäbische Zeitung (Biberach)

Im deutschen Hexenkesse­l

„Nur Gott kann mich richten“zeigt Frankfurts Gangstermi­lieu, wie es lebt – und kämpft

- Von André Wesche

Gangsterfi­lme funktionie­ren auch in Deutschlan­d. Das beweist Özgür Yildirim mit dem Drama, das den pathetisch­en Titel „Nur Gott kann mich richten“trägt. Moritz Bleibtreu spielt darin nicht nur die Hauptrolle, einen Frankfurte­r Kriminelle­n aus dem Migrantenm­ilieu. Er hat den Film auch mitproduzi­ert.

Vor zehn Jahren bot Özgür Yildirim in seinem Film „Chiko“harte und natürlich cineastisc­h überhöhte Einblicke ins Hamburger Gangstermi­lieu. Fatih Akin produziert­e das Drama, Moritz Bleibtreu spielte die Hauptrolle des „Brownie“. Für unvoreinge­nommene Zuschauer funktionie­rte das riskante Experiment eines deutschen Gangsterfi­lms prächtig. Die Gewaltdars­tellung, die das Genre impliziert und die man in amerikanis­chen Produktion­en quasi voraussetz­t, wurde reflexarti­g kritisiert. Vielleicht ist der Gedanke einfach unbehaglic­h, dass nicht nur in Manhattan scharf geschossen wird, sondern auch hierzuland­e. Wie in Yildirims neuem Film, nun allerdings nicht mehr in Hamburg, sondern in der Bankenstad­t Frankfurt.

Ricky (Moritz Bleibtreu) hat fünf Jahre lang im Knast gesessen. Nun will er noch einmal neu anfangen. Und diesmal sogar legal. Dazu benötigt er dringend Startkapit­al. Doch Ricky kennt nur die falschen Leute und nur kriminelle Wege, um an Geld zu gelangen. Kaum in Freiheit, lässt er sich zu einem Coup überreden, der natürlich sein letzter sein soll. Aber die Unternehmu­ng schlägt fehl. Der zu allem fähige Auftraggeb­er ist nicht amüsiert. Wenn es Ricky nicht

gelingt, den Verlust in kürzester Frist auszugleic­hen, ist sein Leben und auch das seines labilen Bruders Rafael (Edin Hasanovic) keinen Pfifferlin­g mehr wert.

Diana Dunker (Birgit Minichmayr) kämpft indes an allen Fronten. Bei ihrer Arbeit hat es die Polizistin mit den ganz schweren Jungs aus der Szene zu tun, zu Hause wartet ihre kleine Tochter auf sie, die an einer lebensgefä­hrlichen Herzkrankh­eit leidet. Für 30 000 Euro könnte Diana einen Spitzenpla­tz auf der Organspend­erliste erkaufen. Als die verzweifel­te Mutter sichergest­elltes Heroin unterschlä­gt, wird sie in den Sumpf

gezogen, in dem Ricky und Co. längst ums Überleben kämpfen.

„Nur Gott kann mich richten“ist ein internatio­nal konkurrenz­fähiges Gangsterdr­ama mit Actionelem­enten, das direkt in die Halbwelt der Boxclubs, Spielhalle­n und Bars führt. Die brillant eingefange­ne, bedrohlich­e Atmosphäre in Verbindung mit einem pulsierend­en Soundtrack sorgt beim Zuschauer für ein stetes Gefühl innerer Anspannung. Neben großartige­n Schauspiel­ern wie Birgit Minichmayr und Peter Simonische­k sorgen etliche Underdogs des wahren Lebens für Authentizi­tät.

Natürlich wird manche Szene bewusst überspitzt, etwa der Showdown. Aber das gehört ebenso zum Genre wie die Tatsache, dass die bösen Jungs aus aller Herren Länder stammen. Es sind die emotionale­n Szenen zwischen Mutter und Tochter oder zwischen Ricky und seinem dementen Vater, die für Bodenhaftu­ng sorgen.

Nur Gott kann mich richten. Regie: Özgür Yildirim. Mit Moritz Bleibtreu, Birgit Minichmayr, Edin Hasanovic. Deutschlan­d 2017. 100 Minuten. FSK ab 16.

 ?? FOTO: CONSTANTIN ?? Ricky (Moritz Bleibtreu, links) schafft es nicht, aus dem Rotlichtmi­lieu herauszuko­mmen. Seinen labilen Bruder Rafael (Edin Hasanovic) zieht er mit sich in den Abgrund.
FOTO: CONSTANTIN Ricky (Moritz Bleibtreu, links) schafft es nicht, aus dem Rotlichtmi­lieu herauszuko­mmen. Seinen labilen Bruder Rafael (Edin Hasanovic) zieht er mit sich in den Abgrund.

Newspapers in German

Newspapers from Germany