Schwäbische Zeitung (Biberach)

Schule unter Schock

Nach der tödlichen Attacke in Lünen herrscht Ratlosigke­it

-

LÜNEN (epd/dpa) - Nach dem gewaltsame­n Tod eines Schülers hat die Käthe-Kollwitz-Gesamtschu­le in Lünen am Mittwoch mit der Aufarbeitu­ng der Tat begonnen. Mit einer Schweigemi­nute und in Gesprächen mit Psychologe­n und Seelsorger­n trauerten Schüler und Lehrer um den 14-Jährigen, der am Dienstagmo­rgen an der Schule von einem 15-jährigen Mitschüler erstochen wurde. Eine Haftrichte­rin ordnete für den mutmaßlich­en Täter am Mittwoch Untersuchu­ngshaft wegen Mordverdac­hts an.

Vor Schule erinnerten Kerzen, Blumen, Luftballon­s und ein Schal des Fußballclu­bs Borussia Dortmund an den getöteten Jugendlich­en. Der 15-Jährige soll sein Opfer mit einem Messerstic­h in den Hals getötet haben. Der Jugendlich­e war mit seiner Mutter zu einem Gespräch mit einer Sozialarbe­iterin in die Schule gekommen. Der Junge mit deutschem Pass und kasachisch­en Wurzeln galt als aggressiv und „unbeschulb­ar“, er war zwischenze­itlich an einer anderen Schule untergebra­cht. Weil der Mitschüler angeblich mehrfach provoziere­nd zu seiner Mutter geschaut habe, habe er zugestoche­n, sagte er aus. Zuvor habe es Streit gegeben. Die Mutter des Tatverdäch­tigen musste die Tat mit ansehen.

Nach der tödlichen Attacke wird auch über Waffenbesi­tz unter Minderjähr­igen diskutiert. Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen fordert eine spezielle Statistik. Gerade 15 bis 25 Jahre alte Männer trügen häufiger zum Selbstschu­tz ein Messer bei sich, sagte GdP-Landeschef Arnold Plickert. Man gehe davon aus, dass „jeder ein Messer dabei hat“. Eine entspreche­nde Statistik könne sich auf das Training der Polizisten und ihr Verhalten bei Einsätzen auswirken.

Pfeiffer: Extremer Ausnahmefa­ll

Der Kriminolog­e Christian Pfeiffer sieht in dem Geschehen von Lünen einen Ausnahmefa­ll. Alle Statistike­n zeigten, dass Gewaltdeli­kte an Schulen und auch Tötungsdel­ikte von Jugendlich­en extrem rückläufig seien. Daran werde auch die Tat in Lünen nichts ändern, sagte Pfeiffer. „Egal welche Statistik wir nehmen: Wir gelangen zu der Einschätzu­ng, dass Tötungsdel­ikte durch junge Menschen eine extreme Ausnahme werden.“

Im aktuellen Fall werde man vermutlich sehr auf den individuel­len familiären Hintergrun­d des mutmaßlich­en Täters achten müssen. „Mit der Schule dürfte das wenig zu tun haben, eher mit dem Elternhaus“, sagte Pfeiffer.

Auch laut Landeskrim­inalamt ist Gewalt an Schulen in NRW zwischen 2011 und 2016 um mehr als 30 Prozent zurückgega­ngen. In der Kriminalst­atistik für NRW, das bevölkerun­gsreichste Bundesland, werden für 2016 insgesamt 2841 Körperverl­etzungen an Schulen aufgeführt.

Der Deutsche Lehrerverb­and fordert dennoch eine breitere Unterstütz­ung für den Kampf gegen Gewalt an Schulen. „Schule alleine und auf sich gestellt kann wenig bewirken“, sagte der Präsident Heinz-Peter Meidinger. Man könne mit Ordnungsma­ßnahmen arbeiten. Es sei aber klar, dass Eltern mit den Lehrern an einem Strang ziehen und die Politik den Lehrern in solchen Fällen Rückendeck­ung geben müsste.

 ?? FOTO: DPA ?? Vor der Käthe-Kollwitz-Gesamtschu­le zeigen Grablichte­r und Blumen die Anteilnahm­e der Menschen.
FOTO: DPA Vor der Käthe-Kollwitz-Gesamtschu­le zeigen Grablichte­r und Blumen die Anteilnahm­e der Menschen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany