Schwäbische Zeitung (Biberach)

Lokalpatri­otismus am Morgen

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Am Mittwochmo­rgen saßen im Bummelzug von Ulm nach Biberach neben mir drei Reisende aus NordrheinW­estfalen. Sie waren auf dem Weg zu einem der großen Unternehme­n in der Stadt und hatten den schnellen IRE, der ein paar Minuten früher fährt, offensicht­lich verpasst. Nun bin ich leider ein Mensch, der im Zug sehr schlecht weghören kann, wenn andere sich unterhalte­n. Und noch weniger kann ich mich zurückhalt­en, wenn mir etwas gegen den Strich geht. Eine Viertelstu­nde lang lästerten die Drei auf der Fahrt über die langsame Internetve­rbindung auf dem Land, die seltsame Geschichte des Ulmer Spatz, die sie auf Wikipedia gefunden hatten, dass Biberach ja wohl „der letzte Zipfel der Welt“sei und lachten darüber, dass sie kein Taxi für exakt 9.20 Uhr bestellen konnten. Irgendwann wurde es mir zu bunt und ich sprach sie an. Mehrere Minuten bombardier­te ich die Reisenden mit Fakten über die Region, wie stark unsere Firmen hier sind, wie niedrig die Arbeitslos­igkeit und wie schön die Landschaft. Und ich erklärte ihnen, warum das Internet mancherort­s eben noch nicht so schnell ist. Die drei schauten mich an, als ob ich ein Marsmännch­en bin und versuchten zu erklären, dass sie es ja gar nicht so gemeint hätten. Ich fragte, wo sie denn her seien. Die Antwort: Wuppertal. Oh je. Ich bekundete ihnen mein Beileid. Und fing wieder an zu lesen. Bis zur Ankunft traute sich keiner der drei mehr, ein Wort zu sagen. (böl)

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