Schwäbische Zeitung (Biberach)

Angeklagte­r tauscht Kinderporn­os im Internet

Amtsgerich­t Biberach verurteilt einen 56-Jährigen aus dem Landkreis zu einer Haftstrafe

- Von Maike Woydt

BIBERACH - Ein 56-jähriger Mann aus dem Kreis Biberach hat sich diese Woche vor dem Amtsgerich­t Biberach wegen Besitzes und Verbreitun­g kinderporn­ografische­r Schriften verantwort­en müssen. Richter Ralf Bürglen verurteilt­e ihn schließlic­h zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten.

Der 56-jährige Angeklagte führt heute ein geregeltes Leben: Er arbeitet seit mehr als 30 Jahren im selben Unternehme­n und ist seit mehr als zehn Jahren mit seiner Lebensgefä­hrtin zusammen. Zu Beginn der 2000er-Jahre war er einige Jahre lang verheirate­t. Aus dieser Ehe hat er ein volljährig­es Kind. Zu diesem hat er heute keinen Kontakt mehr.

Der Streit mit seiner Ex-Frau über das Umgangsrec­ht mit seinem Kind und berufliche Frustratio­n hätten vor rund sieben Jahren schließlic­h dazu geführt, dass er im Internet „nach einem Ausgleich“gesucht habe. Über ein Forum sei er auf eine Internetpl­attform gestoßen. Diese bietet Nutzern die Möglichkei­t, Dateien jeglicher Art miteinande­r zu tauschen. Zweieinhal­b Jahre lange habe der 56-Jährige rund 99 000 kinderporn­ografische Bilder, rund 17 000 kinderporn­ografische Videos, rund 36 000 jugendporn­ografische Bilder und rund 12 000 jugendporn­ografische Videos herunterge­laden und getauscht, so die polizeilic­hen Ermittlung­en. Davon seien viele auch doppelt oder dreifach gespeicher­t.

Schweizer Polizei ermittelt

Im Jahr 2014 waren Schweizer Polizeibea­mte in diesem Netzwerk unterwegs, um nach möglichen Tätern zu suchen. Sie hatten dem Tatverdäch­tigen eine anonyme Anfrage geschickt

und um kinderporn­ografische­s Material gebeten, worauf dieser einging. Über seine IP-Adresse fanden sie seinen Wohnort heraus und gaben den Fall an die deutschen Kollegen weiter.

Im August 2014 hatten die KripoBeamt­en den Mann von seiner Arbeitsste­lle abgeholt. Er bestätigte die Vorwürfe direkt. Bei einer Durchsuchu­ng entdeckten die Beamten dann einen Laptop, der in diesem Moment kinderporn­ografische­s Material sowohl herunterlu­d als auch anderen Nutzern zur Verfügung stellte. Zusätzlich hatten die Polizisten noch einen weiteren Laptop und zwei Festplatte­n

mit Bildern und Videos entdeckt. In wochenlang­er Arbeit hatten die Beamten das Material im Abgleich mit verschiede­nen Datenbanke­n gesichtet. Nach Absprache mit der Staatsanwa­ltschaft schauten die Polizisten nur rund 20 Prozent der Bilder an. „Das gesamte Material zu sichten, hätte mehrere Monate gedauert“, sagte ein ermittelnd­er Kripobeamt­er, der als Zeuge geladen war.

Während Staatsanwä­ltin, Verteidige­r und Richter die kinderporn­ografische­n Bilder anschauten, saß der Angeklagte mit gesenktem Blick auf seinem Stuhl. Er wirkte distanzier­t,

betonte immer wieder, dass er sich an Einzelheit­en nicht mehr erinnern könne. Am Ende der Verhandlun­g zeigte er Reue: „Ich kann nicht sagen, was mich damals dazu gebracht hat. Es tut mir leid.“

Direkt nach der Wohnungsdu­rchsuchung begab sich der Angeklagte in psychiatri­sche Behandlung, die er noch heute in regelmäßig­en Abständen besucht. Dabei hätte er unter anderem die Tat aufgearbei­tet. Und inzwischen habe er auch begriffen, welches Leid den Kindern beim Erstellen der Aufnahmen zugefügt werde. Während der Psychother­apie habe er neue Wege gelernt, um mit künftigen Frustratio­nen umzugehen.

Der Gutachter stellte fest, dass beim Angeklagte­n keine Persönlich­keitsstöru­ng vorliege. Allerdings erlebe er hohe Enttäuschu­ng bei Zurücksetz­ung und Nicht-Beachtung, sei eher ein Einzelgäng­er, wirke kühl und distanzier­t. Er halte es für notwendig, dass der Angeklagte seine Therapie weiter fortsetze.

Darauf pochte auch der Verteidige­r in seinem Plädoyer: Er forderte eine Bewährungs­strafe von maximal zwei Jahren mit der Auflage, dass die Therapie fortgesetz­t wird. Und führte die positive Sozialprog­nose seines Mandanten an. „Der Angeklagte hat sein Leben im Griff – hat einen festen Beruf, einen Nebenerwer­b und eine Lebensgefä­hrtin“, erklärte er.

Staatsanwä­ltin fordert Haftstrafe

Zuvor hatte die Staatsanwä­ltin in ihrem Plädoyer eine deutlich höhere Strafe gefordert. Sie rechnete dem 56-Jährigen an, dass er geständig ist, er ein geregeltes Leben führt, sich in Therapie befindet und ein leeres Vorstrafen­register hat. Allerdings stehe dem die große Zahl an Dateien entgegen und dass auch Geschlecht­sverkehr mit Babys zu sehen sei. Daher forderte sie eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.

Das Gericht verurteilt­e den Mann zu einer etwas geringeren Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten. „Wir gehen davon aus, dass der Angeklagte eine solche Tat nicht wieder begeht“, sagte Richter Bürglen. Dennoch sei es eine Unzahl an Bildern und Videos, die der Angeklagte über einen langen Zeitraum herunterge­laden hat, daher könne es keine Bewährungs­strafe geben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Eine Woche lang hat der Angeklagte die Möglichkei­t, Rechtsmitt­el einzulegen.

 ?? FOTO: DPA/ARNE DEDERT ?? Ein 56-Jähriger wurde am Amtsgerich­t Biberach zu einer Haftstrafe verurteilt. Er hatte kinder- und jugendporn­ografische­s Bild- und Videomater­ial besessen und mit anderen getauscht.
FOTO: DPA/ARNE DEDERT Ein 56-Jähriger wurde am Amtsgerich­t Biberach zu einer Haftstrafe verurteilt. Er hatte kinder- und jugendporn­ografische­s Bild- und Videomater­ial besessen und mit anderen getauscht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany