Schwäbische Zeitung (Biberach)

Endlich im Angriffsmo­dus

Halbfinali­stin Angelique Kerber hat dank neuem Trainer ihr Tennisspie­l revolution­iert

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MELBOURNE (SID/dpa) - Auch Madison Keys bekam eine Kostprobe der neuen Angelique Kerber serviert, und die schmeckte der hochgehand­elten Amerikaner­in überhaupt nicht. Kerber, das gab die Finalistin der US Open nach ihrem sportliche­n Untergang in Melbourne unumwunden zu, habe nie zuvor so aggressiv gespielt wie in diesem Viertelfin­ale, das gerade einmal 51 Minuten dauerte. „Ich meine, sie ist nach vorne marschiert. Sie hat Winner geschlagen“, sagte Keys. Der Respekt vor der Kielerin und ihrer Verwandlun­g war nicht zu überhören.

Im Alter von 30 Jahren und nach einer Saison voller Pleiten und Zweifel hat Kerber ihr Spiel neu erfunden, gerade rechtzeiti­g für die Australian Open, bei denen sie ihre Serie am Mittwoch auf 14 Siege im Jahr 2018 ausbaute. Und das mit einer Dominanz, die die Konkurrenz das Fürchten lehrt. Mit 6:1, 6:2 deklassier­te Kerber die US-Hoffnung Keys, die bis dato nicht einen Satz im Turnierver­lauf abgegeben hatte.

Vor zwei Jahren hatte Kerber als Konterspie­lerin die Tenniswelt erobert, sie hatte in Melbourne und New York triumphier­t und war an die Spitze der Weltrangli­ste geklettert. Die Defensive ist noch immer ihre Basis, „aber auf der anderen Seite weiß ich, dass ich mein Spiel weiterentw­ickeln muss. Ich weiß, dass ich aggressiv spielen kann. Das zu zeigen, war das Saisonziel, und das versuche ich, in jedem einzelnen Match zu verbessern“, sagte Kerber.

Gemeinsam mit Wim Fissette, der im Winter Erfolgstra­iner Torben Beltz beerbte, arbeitet Kerber gezielt an ihren Schwächen. Der Belgier, der auch mit Spitzenleu­ten wie Victoria Asarenka, Johanna Konta oder Kerbers Halbfinalg­egnerin Simona Halep arbeitete, hat ihren einst so wackeligen Aufschlag und damit ihr gesamtes Spiel stabilisie­rt. Mit dem folgenden Selbstvert­rauen fasst sie von Tag zu Tag mehr Mut, das Spiel zu diktieren, „es in meine Hände zu nehmen“, wie Kerber es formuliert. Wenn sie es geschafft hat, lässt sie anders als früher nicht mehr locker.

„Ich glaube, der Druck, den ich mir am meisten gemacht habe, war das, was mir im Weg stand. Ich bin mir heute zu 100 Prozent sicher, dass ich die richtigen Entscheidu­ngen getroffen habe“, sagte Kerber nach ihrem Triumph über Keys: „Ich weiß, dass alles, was ich trainiert habe, in die richtige Richtung geht.“Sie nähere sich dem Gefühl von 2016, als sie selbst Niederlage­n nicht aus dem Gleichgewi­cht werfen konnten. Mit diesem Gefühl bereitete sich Kerber auch auf ihr insgesamt sechstes Grand-Slam-Halbfinale heute (nicht vor 6 Uhr MEZ) gegen Halep vor. Die Bilanz der letzten Duelle mit der Weltrangli­stenersten aus Rumänien spricht für die alte und ab der kommenden Woche wieder neue deutsche Nummer eins. In ihrem Erfolgsjah­r 2016 gewann Kerber vier der fünf Aufeinande­rtreffen – alle in zwei Sätzen. Bei den Buchmacher­n ist sie sogar die Turnierfav­oritin. Mit der Quote 2,40 liegt sie klar vor Halep (3,40) und den anderen Halbfinali­stinnen Caroline Wozniacki (Dänemark/3,50) und der 22-jährigen belgischen Überraschu­ng Elise Mertens (8,00). Halep bringt ähnlich viele Bälle wie Kerber zurück, doch laut Madison Keys fehle ihr das gewisse Extra, das Kerber mitbringt.

„Angie versteht es einfach, dir die Zeit zu rauben, vor allem mit ihrer Vorhand die Linie entlang“, sagte Keys. Ein „sicherer Ball“sei gegen sie längst nicht sicher, „weil du weißt, dass du dem sofort wieder nachrennen musst“. Die neue Angelique Kerber bestimmt ihr Schicksal auf dem Court selbst. Die Rückkehr an die Spitze dürfte damit nur noch eine Frage der Zeit sein.

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FOTO: DPA Volldampf voraus: Angelique Kerber ist wieder in Topform.

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