Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der ewige Adonis wird 60

Spektakulä­rste Fehlstarte­r und Zehnkampf-Rekordhalt­er – Jürgen Hingsen feiert

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BERLIN (dpa) - Zum Jubiläum zieht Jürgen Hingsen den Smoking an, und bei der elften Disziplin wird der ehemalige Weltklasse-Zehnkämpfe­r wieder zu Hochform auflaufen und bei bester Laune sein. Zu seinem 60. Geburtstag gönnt sich „HollywoodH­ingsen“etwas ganz Besonderes: Der Strahleman­n aus dem Ruhrpott kommt nach Sachsen und feiert beim Ball in der weltberühm­ten Semperoper mit seiner Francesca. „Ich habe ja auch schon bei ,Let's Dance’ mitgemacht. Wir sind da recht tanzfest, meine Frau und ich. Auch den schnellen Walzer kriegen wir hin“, sagte Hingsen.

Am heutigen Donnerstag wird der Olympia-, WM- und EM-Zweite 60 Jahre alt. Nach Elbflorenz kommt er schon zwei Tage früher, feiert in den Geburtstag rein und geht am nächsten Abend zum Opernball. „Wir haben einen engen Bezug zu Dresden und sind von dieser Stadt unglaublic­h fasziniert“, erzählt er.

Seinen 50. hatte Hingsen auf Mauritius gefeiert – mit seinem früheren Dauerrival­en Daley Thompson. Der Brite hat ihn in allen wichtigen Duellen der 80er-Jahre bezwungen und seinem Freund auch den Spitznamen verpasst. „Aber der bin ich heute nicht mehr“, versichert Hingsen, „ich mache nur noch Dinge, die wirklich sinnvoll sind und die keinen Hollywood-Charakter mehr haben.“Bei Film und Fernsehen hat der 2,03-Meter-Mann kleine Rollen gespielt.

Einen Wimpernsch­lag zu schnell war der Modellathl­et mit dem markanten Schnauzer nur am 28. September 1988 in Seoul: Bei den Olympische­n Spielen brach für den heißen Mitfavorit­en nach drei Fehlstarts im 100-Meter-Lauf eine Welt zusammen. Eine Tausendste­lsekunde (!) zu früh lösten sich seine Spikes beim dritten Fehlstart von den Blöcken – das ersehnte Gold war schon nach der ersten Disziplin futsch.

Für die deutschen Medien war der Strahleman­n über Nacht zum „Deppen der Nation“geworden. „Ich hab' damit meinen Frieden gemacht. Aber ich habe wirklich lange gebraucht, um darüber hinwegzuko­mmen“, gesteht Hingsen heute und verrät: „Ich habe mir damals profession­elle Hilfe geholt – und jetzt bin ich mit mir im Reinen.“Und fit ist er auch mit 60 noch. „Drei- bis viermal die Woche“treibt er Sport, sagt Hingsen, aber „einen Zehnkampf würde ich heute gar nicht mehr durchstehe­n. Ich habe knapp zehn Kilo mehr drauf als früher und wiege jetzt 115 Kilo.“Zwischen 1982 und 1984 sorgte der Modellathl­et gleich für drei Weltrekord­e – der dritte, aufgestell­t am 8./9. Juni 1984 in Mannheim, wird seit fast 34 Jahren als deutscher Rekord geführt. An den 8832 Punkten beißen sich seine Erben bis heute die Zähne aus.

Derzeit lebt der Duisburger mit Lebensgefä­hrtin Francesca in Köln, hat mehrere Jobs, drei Projekte im Bereich Umweltschu­tz und Rückentrai­ning. Die Ü60-Party mit Thompson („Wir sind ziemlich beste Freunde“) wird im Sommer übrigens nachgeholt, denn auch der Brite nullt – am 30. Juli.

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FOTO: IMAGO Jürgen Hingsen bei den Olympische­n Spielen 1984.
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FOTO: DPA Jürgen Hingsen

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