Schwäbische Zeitung (Biberach)
Amtsgericht stellt Verfahren gegen Arbeitsstunden ein
64-Jähriger soll eine Dreijährige zu intensiv auf die Wange geküsst haben – Beweise für Missbrauch reichen nicht aus
BIBERACH - Ein 64-jähriger Mann hat sich diese Woche vor dem Amtsgericht in Biberach verantworten müssen. Ihm wurde der sexuelle Missbrauch eines Kindes vorgeworfen. Der Angeklagte muss nun 30 Arbeitsstunden ableisten. Das Verfahren wurde unter dieser Bedingung eingestellt.
Der 64-jährige Angeklagte soll im Juli vergangenen Jahres ein dreijähriges Mädchen intensiv mit Zunge auf die Wange geküsst haben. Beide lebten zu diesem Zeitpunkt in einer Gemeinschaftsunterkunft im Kreis Biberach. Auf dem Spielplatz der Unterkunft hatten das Mädchen und andere Kinder gespielt. Die Dreijährige saß auf einem Tisch, als sich der Mann, laut Anklageschrift, näherte und sie küsste.
Der Angeklagte bestätigte den Vorfall. Er habe das Kind auf die Wange geküsst. Die Familien seien miteinander befreundet, es seien großväterliche Gefühle, die er für das Mädchen habe. Den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs wies er vor Gericht zurück: „Ich bin ja nicht verrückt.“
Gemeldet wurde das Vorkommnis von zwei Mitarbeitern der Unterkunft. Sie saßen während des Vorfalls auf einer Bank in unmittelbarer Nähe zu dem Mädchen. Einer der Mitarbeiter schritt auch ein und stoppte die Annäherung des 64-Jährigen. Die eine Zeugin sprach von einem sehr intensiven Kuss, sie habe auch die Zunge des Angeklagten gesehen. Der andere Zeuge sprach hingegen von mehreren kleineren Küssen, die allesamt rund fünf Sekunden dauerten. Beide waren sich jedoch einig, dass es kein üblicher Kuss für ein Kind sei.
Schon einmal soll der Angeklagte ein Mädchen in der Unterkunft belästigt haben. „Die Mutter hatte unter Tränen gebeten, dass sie ausziehen dürfen“, sagte die Zeugin. „Es war bekannt, dass der Angeklagte eine Affinität zu Kindern hat“, bestätigte der männliche Kollege. Daher hätten sie auf das Verhalten des Mannes besonders geachtet und den Vorfall auch gemeldet.
Bei den Ermittlungen hatte die Polizei von drei Mädchen erfahren, die von dem Angeklagten belästigt worden sein sollen. Allerdings hätten die Zeugenbefragungen in allen Fällen keine Informationen ergeben. „Die Antworten waren sehr zurückhaltend“, sagte der ermittelnde Polizist. Auch im aktuellen Fall hätte die Familie der Dreijährigen keine Anzeige erstatten wollen.
Während der Verhandlung wurde klar, dass der Fall ohne eine Aussage der Eltern und des Mädchens nicht zu klären ist. Um ihnen dies zu ersparen, einigten sich der Staatsanwalt und Richter Ralf Bürglen darauf, das Verfahren gegen die Ableistung von 30 Arbeitsstunden innerhalb von drei Monaten einzustellen. „Wenn Sie das nicht machen, sehen wir uns hier wieder“, sagte Bürglen. Der Angeklagte willigte in diese Entscheidung ein.