Schwäbische Zeitung (Biberach)

Weshalb Kim an der Atombombe arbeitet

Experte: Der nordkorean­ische Diktator ist unberechen­bar, aber kein irrational­er Dummkopf

- Von Rolf Dieterich

Die Welt rätselt, was in dem nordkorean­ischen Diktator Kim Jong-un vorgeht, ob er wirklich die atomare Auseinande­rsetzung mit den USA riskieren wird mit unabsehbar­en Folgen nicht nur für diese beiden Länder. Da kann das Buch von Rüdiger Frank, Professor für Wirtschaft und Gesellscha­ft Ostasiens an der Universitä­t Wien und einer der besten westlichen Kenner Nordkoreas, wertvolle Orientieru­ngshilfe leisten. Der Autor räumt ein, dass der Führer Nordkoreas ein rücksichts­loser und brutaler Machtmensc­h ist, der keine Gnade gegenüber seinen tatsächlic­hen oder vermeintli­chen Gegnern kennt. Aber ein irrational­er Dummkopf sei Kim Jong-un nicht.

Frank lässt auch keinen Zweifel, dass Nordkorea nach wie vor alle Merkmale einer in hohem Maße repressive­n Diktatur erfüllt, relativier­t aber zugleich viele Vorstellun­gen des Westens über dieses unbekannte Land im Fernen Osten. So sei in den letzten Jahren zumindest in den Städten die wirtschaft­liche Lage spürbar besser geworden. Dort habe sich sogar so etwas wie ein neuer Mittelstan­d entwickelt. Teilweise gebe es auch einen veritablen Bauboom, die Verbreitun­g von Mobiltelef­onen sei auf den Straßen ebenso unübersehb­ar wie die deutliche Zunahme des Autoverkeh­rs.

Hass auf den Erzfeind Japan

Die Außenpolit­ik der Kim-Dynastie war und ist laut Frank entscheide­nd durch die schlimmen Demütigung­en geprägt, die Korea als japanische Kolonie in den Jahren 1910 bis 1945 erfahren musste. Daher rührten bis heute der Hass auf den Erzfeind Japan und ein tiefes Misstrauen gegenüber Großmächte­n, vor allem gegenüber den USA, denen die Teilung Koreas angelastet wird, aber in gewisser Weise auch gegenüber Russland und sogar dem letzten offizielle­n Verbündete­n China. So hatte und habe für das politische Handeln von Großvater, Vater und Sohn Kim stets der unbedingte Wille Priorität, ein starkes, unabhängig­es, von seinen Nachbarn und der Welt respektier­tes Land zu gestalten, das auch mit dem Süden wieder vereint sein soll, natürlich nach nordkorean­ischen Regeln.

Da Nordkorea trotz der ökonomisch­en Verbesseru­ngen noch meilenweit davon entfernt ist, ein auf wirtschaft­licher Stärke beruhender Machtfakto­r zu sein, sieht Kim Jongun nach Meinung Franks in der Weiterentw­icklung seines Atomwaffen­programms den einzigen Weg, um diese Ziele zu erreichen. Dass er darauf verzichten werde, sei deshalb kaum zu erwarten.

Rüdiger Frank: Nordkorea – Innenansic­hten eines totalen Staates. Pantheon Verlag München. 2017. 461 Seiten. 14,99 Euro.

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FOTO: UNCREDITED Diese Aufnahme, sie wurde der Presse von der nordkorean­ischen Regierung zur Verfügung gestellt, zeigt den nordkorean­ischen Machthaber Kim Jong-un am 21.09.2017 in Pjöngjang.

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