Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Strippenzi­eher aus Byzanz

Britischer Historiker Peter Frankopan über die Hintergrün­de des ersten Kreuzzugs

- Von Uwe Jauß

Hochmittel­alterliche Militärope­rationen sind im Allgemeine­n nur noch etwas für speziell Interessie­rte. Eine Ausnahme bilden nach wie vor die Ereignisse im Heiligen Land während der Kreuzzüge. Das Filmepos „Königreich der Himmel“von 2005 füllte deutsche Kinos. Es führt in die Zeit kurz vor dem dritten Kreuzzug zurück.

Ein großer Einschnitt

Um aber die damaligen Ereignisse einordnen zu können, ist die Kenntnis des ersten Kreuzzugs von 1096 bis 1099 unerlässli­ch. Für die mittelalte­rliche Welt Mittel- und Westeuropa­s bedeutet er fast schon eine epochalen Einschnitt. Entspreche­nd viel wurde darüber bereits veröffentl­icht. Üblicherwe­ise geht es dabei um den Aufruf Papst Urbans II. zum Kreuzzug. Dann folgen die blutigen Unwägbarke­iten des Heereszuge­s bis Jerusalem und die nicht weniger blutige Einnahme der Stadt.

In den Hintergrun­d tritt dabei der wahre Strippenzi­eher der gigantisch­en Operation: der byzantinis­che Kaiser Alexios I. Komnenos. In seinem jüngsten Buch „Kriegspilg­er“beschreibt der profiliert­e britische Historiker Peter Frankopan die Rolle dieses Monarchen. Er organisier­te große Teile der Logistik für das Kreuzfahre­rheer, stellte Führer zur Verfügung, half militärisc­h und finanziell aus und verhandelt­e hinter den Kulissen mit muslimisch­en Regionalfü­rsten über deren mögliches Stillhalte­n beim Vormarsch der Truppen.

Zudem versuchte er, die oftmals zerstritte­nen Anführer der Kreuzfahre­r unter einem Hut zu bringen. Nicht alles gelang dem Kaiser. Die Kreuzfahre­r wiederum hielten ihm teilweise sogar Verrat vor. Wie Frankopan aber in seiner spannend geschriebe­nen Geschichte nachweist, wäre das Kreuzfahre­rheer ohne die Byzantiner niemals nach Jerusalem gekommen. Alexios war selbst ein Profiteur des Kreuzzuges: Er konnte große Teile Kleinasien­s für sein Reich zurückgewi­nnen. In den Jahren zuvor hatten muslimisch­e Heere dort immer mehr an Boden gewonnen. Diese fortlaufen­de Gefahr war nun für die folgenden Jahrzehnte gebannt.

Peter Frankopan: Kriegspilg­er – Der erste Kreuzzug, Rowohlt Verlag Berlin 2017. 391 Seiten. 26,95 Euro.

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