Schwäbische Zeitung (Biberach)
Staatspreis für die Karikatur des Sowjetsystems
Die Erzählung „Die himmelblauen Berge“von Reso Tscheischwili (1933-2015) spielt an einem einzigen Ort: in einem staatlichen Verlagsgebäude. Der Inhalt: Ein junger Schriftsteller gibt die dritte Überarbeitung seines Romans ab. Das Manuskript, Schreibmaschinenblätter mit Durchschlag, geht unter den zahlreichen Mitarbeitern verloren, deren Funktionen unklar sind und die sich auch alle mit ganz anderen Dingen beschäftigen. Schließlich findet sich eine Vorgänger-Version vermodert im Abfall. Die entzifferbaren Seiten werden dem Direktor vorgelesen, der schläft dabei ein.
Die Dialoge in dieser Erzählung über einen Roman erinnern an absurdes Theater. Hier wird alles angefangen, nichts zu Ende gebracht. Im Verlag telefoniert man grundsätzlich mit zwei Telefonen gleichzeitig. Wer Zahnweh hat, greift zur Nierentablette. Wer ein Klappfenster öffnen will, behält die Schnur in der Hand. Besucher stecken im Aufzug fest, für den es
keine Ersatzteile mehr gibt und auch nie gab. Im Gebäude wachsen die Risse in Decken und Wänden, es ist vom Einsturz bedroht.
All diese Elemente des absehbaren Scheiterns versetzt Tscheischwili in Rotation, sie kehren zyklisch wieder, während dagegen der Entscheidungsprozess, ob der Verlag das Buch nun annimmt oder nicht, zäh voranschreitet und erwartungsgemäß offenbleibt. Tscheischwili war ein Kulturfunktionär, der für den Film, als Thea- terdirektor und Chefredakteur gearbeitet hat und mehrere Erzählungen veröffentlichte. 1992 bis 1995 war er Abgeordneter im georgischen Parlament. Seine „Himmelblauen Berge“(1980) sind in Georgien zum Klassiker und dank der Verfilmung von 1983 auch sehr populär geworden. Der Titel ist sogar sprichwörtlich geworden für eine absurde Situation, die nicht enden will. Im georgischen Verständnis gelten Roman und Film als Karikatur des Sowjetsystems in seiner Spätphase.
2014 wurde der Film in der KinoKlassiker-Reihe beim Festival in Cannes vorgestellt, in der DDR war er schon 1984 zu sehen. Tscheischwili hatte das Drehbuch zum Film selber verfasst und wurde dafür mit dem Staatspreis der UdSSR geehrt. man
Reso Tscheischwili: Die himmelblauen Berge, Edition Monhardt, Berlin, 160 Seiten, 22 Euro.