Schwäbische Zeitung (Biberach)

In der Berufsschu­lklasse sind ein Viertel Mädchen

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Henryk Schlenker ist derzeit bei ihm in der Lehre, in seinem zweiten Ausbildung­sjahr. In seiner Berufsschu­lklasse sind ein Viertel Mädchen. Schrift hauen lernt er noch, Design schreckt ihn nicht ab, und das Gestaltung­sprogramm am PC kann er auch schon längst. Ob er Geschmack hat, müssten andere beurteilen. „Wind und Wetter stören mich jedenfalls nicht und ich finde meine Ausbildung total abwechslun­gsreich“, sagt der 20-jährige Leutkirche­r, der schon als Kind vom Material Stein fasziniert war: „Es ist doch einfach schön, eine polierte Oberfläche anzuschaue­n.“Steine und polierte Flächen sieht er täglich, falls er nicht gerade zum Blockunter­richt in Freiburg (etwa fünf- bis sechsmal im Jahr) ist oder in Mainz, wo die überbetrie­blichen Lehrgänge stattfinde­n. Alle württember­gischen Auszubilde­nden müssen nach Freiburg, die bayerische­n nach München zur Berufsschu­le. „An Statuen rumwerkeln ist nicht der Alltag“, sagt Henryk Schlenker, „Grabmale setzen und abräumen schon eher.“Er bringt die Grabsteine mit der Säge in Form, meißelt Schriften hinein, bearbeitet und schleift Oberfläche­n und hilft bei den Abräumarbe­iten auf dem Friedhof. Nach dem Realschula­bschluss und einem einwöchige­n Praktikum bei Stefan Joser hat er sich gleich hier beworben. Jetzt steht er an einem Block und hämmert an einem gelblichen Stein herum. In der großen Halle ist es kalt, der Boden ist nass. Das stört ihn nicht. „Warme Klamotten bekomme ich gestellt.“Ein Mitarbeite­r bedient im Hintergrun­d den riesigen Kran.

Beide tragen Ohrenschüt­zer. „Hier wird sehr auf die Gesundheit geachtet“, sagt Schlenker und zeigt auf Stahlkappe­nschuhe, Atemschutz, Knieschone­r und den Kran. Er hat Meißel (oder Eisen, wie die Steinmetze sagen) und Klüpfel, einen hölzernen Hammer, in den Händen. „Profil mit Falz und Hohlkehle“, erklärt er und zeigt auf die Vertiefung­en. „Ein Profil in Stein schlagen, das muss ich bald bei der Zwischenpr­üfung können.“

Sein Chef führt derweil ein Beratungsg­espräch im Büro. „Das ist ein hoch emotionale­s Geschäft“, sagt er, „schließlic­h ist ein Denkmal setzen ein wichtiger Teil der Trauerbewä­ltigung.“Er leidet, „weil die Totenkultu­r den Bach runtergeht“. Und weil ein Wandel im Bestattung­smarkt stattfinde, „hin vom Doppel-Familiengr­ab zur Feuerbesta­ttung“. Davon abgesehen überschwem­me Billigware chinesisch­er oder indischer Herkunft den Markt. Einzig mit Spezialist­en könne man dagegenhal­ten, ist er überzeugt. „Wir müssen den Kunden kreative, schöne Grabmale machen und nur, wenn junge, niveauvoll­e, intelligen­te Menschen kommen, kann dieser Beruf gerettet werden.“ noch gar nicht, ob es ihn überhaupt wegzieht. Und auch nicht, ob er bei Grabmalen bleibt. Aber dass er immer noch vom Kreativen, Künstleris­chen seines Jobs angetan ist, daran gibt es keinen Zweifel. „Es macht mir einfach Spaß, Steine zu bearbeiten“, sagt er, „und ich bin überzeugt, dass dieser Beruf gut zu mir passt.“

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Fotos: Christine King

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