Schwäbische Zeitung (Biberach)

Angriff auf Afrikaner erschütter­t Italien

28-Jähriger schießt in einer Kleinstadt auf Menschen wegen ihrer dunklen Hautfarbe

- Von Thomas Migge

ROM - Ein rassistisc­her Anschlag überschatt­et den italienisc­hen Wahlkampf. „Die Atmosphäre ist jetzt vergiftet und wir müssen diese Welle des Hasses stoppen, bevor es zu spät ist“, appelliert Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella an seine Bürger.

In der Kleinstadt Macerata in den Marken hatte ein 28-jährige Italiener, der im vergangene­n Jahr bei Kommunalwa­hlen unweit von Macerata Kandidat der Lega Nord war, die Menschen in Schrecken versetzt: Aus einem Auto gab der Schütze an verschiede­nen Plätzen der Stadt Schüsse ab und verletzte sechs Menschen aus Gambia, Nigeria, Ghana und Mali. Einige von ihnen wohnen schon länger in Italien, andere sind Asylbewerb­er, wie ein Polizeispr­echer sagte. Der 28-Jährige hat nach eigenen Angaben aus Hass auf Menschen mit dunkler Hautfarbe gehandelt. Reue zeigte er nach seiner Festnahme nicht.

Aufnahmen von Kameras an einem Gebäude und in einer Kaffeebar, die am Sonntag im italienisc­hen Fernsehen ausgestrah­lt wurden, zeigen den Mann, wie er mit seinem Wagen vor einer Kaffeebar im Stadtzentr­um hält, auf Personen schießt und weiterfähr­t. Sein Ziel waren Einwandere­r aus Schwarzafr­ika, die in Macerata leben. Sechs von ihnen wurden verletzt, einer schwer. Nur wie durch ein Wunder starb niemand.

Faschistis­cher Gruß mit Flagge

Im Anschluss an die Schießerei verließ der Schütze seinen Wagen, erklomm ein Kriegerden­kmal, entfaltete eine italienisc­he Flagge, legte sie sich um die Schulter, erhob seinen rechten Arm zum faschistis­chen Gruß und rief mehrfach mit lauter Stimme „Italien den Italienern“, „Tod allen Negern“. Am Sonntag erklärte der Mann, dass er stellvertr­etend für alle jene Italiener gehandelt habe, die es satt hätten, dass sich in Italien zu viele Einwandere­r aufhielten.

Der Anschlag wurde von allen Mitte-Links-Parteien entschiede­n verurteilt. Doch Italiens rechte Parteien taten das nicht. „Genau das zeigt“, sagte am Sonntag der Philosoph und Linkspolit­iker Massimo Cacciari, „wir sehr sich unsere italienisc­he Gesellscha­ft bereits nach ganz rechts bewegt hat.“Italiens Innenminis­ter Marco Minniti sprach von „offenem Rassenhass in Italien“und Regierungs­chef Paolo Gentiloni von „einer Gefahr für ganz Italien“.

Matteo Salvini, Chef der ausländerf­eindlichen Partei Lega und nach eigenen Worten „der italienisc­he Bruder von Marine Le Pen“, verurteilt­e zwar die Gewalt gegen Einwandere­r, fügte aber hinzu, „dass wir uns nicht wundern dürfen, wenn sich Italiener angesichts einer nicht existieren­den Flüchtling­sbegrenzun­g zu solchen Taten entscheide­n“. Salvini sagte am Sonntag auch, dass man sich wehren müsse gegen jene Politiker, die aus Italien ein „Flüchtling­slager gemacht haben“.

Auch in der Partei „Fratelli d’Italia“der rechten Politikeri­n Giorgia Meloni gab es verständni­svolle Stimmen für Italiener, die es „leid sind, sich alles gefallen zu lassen“, so Meloni. Die Lega und die „Fratelli d’Italia“sind Partner im Wahlkampf von Silvio Berlusconi­s Forza Italia. Berlusconi bezeichnet­e den Anschlag als „Tat eines Geistesges­törten“. Der Polizei zufolge ist der junge Mann aber in keiner Weise gestört, er habe seine Tat bewusst geplant.

Tatsache ist, dass die Ablehnung von Ausländern in Italien immer größer wird. Das belegen Umfragen der vergangene­n Wochen. Und das beweist auch das Verhalten nach dem rassistisc­hen Anschlag in Macerata, wo etwa 700 Einwandere­r aus Schwarzafr­ika leben. In sozialen Medien wie Facebook äußerten Hunderte Italiener Zustimmung für die Tat.

„Neofaschis­mus wieder salonfähig“

„Neofaschis­mus ist bei uns wieder salonfähig geworden“, sagte die Politikeri­n Emma Bonino. „Der Hass auf Ausländer, Frauen, Homosexuel­le und Juden“habe „Ausmaße angenommen, die angesichts des Wahlkampfs gefährlich werden können“, so die prominente Frauenrech­tlerin. Vor allem „angesichts einer immer größeren Zustimmung innerhalb der Bevölkerun­g“. In den vergangene­n Wochen ist es zu mehreren neofaschis­tischen Aufmärsche­n in Norditalie­n gekommen, ohne dass Ordnungskr­äfte dagegen einschritt­en. Die gewalttäti­gen Übergriffe der vergangene­n Monate auf Einwandere­r seien, so Bonino, „ein Indiz dafür, dass Italien auf einem gefährlich­en Weg ist“.

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FOTO: AFP Eine durchschos­sene Scheibe in der Innenstadt von Macerata: Dort hat ein 28-jähriger Italiener am Samstag auf Afrikaner geschossen. Er handelte nach eigenen Angaben aus rassistisc­hen Motiven.

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