Schwäbische Zeitung (Biberach)
Angriff auf Afrikaner erschüttert Italien
28-Jähriger schießt in einer Kleinstadt auf Menschen wegen ihrer dunklen Hautfarbe
ROM - Ein rassistischer Anschlag überschattet den italienischen Wahlkampf. „Die Atmosphäre ist jetzt vergiftet und wir müssen diese Welle des Hasses stoppen, bevor es zu spät ist“, appelliert Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella an seine Bürger.
In der Kleinstadt Macerata in den Marken hatte ein 28-jährige Italiener, der im vergangenen Jahr bei Kommunalwahlen unweit von Macerata Kandidat der Lega Nord war, die Menschen in Schrecken versetzt: Aus einem Auto gab der Schütze an verschiedenen Plätzen der Stadt Schüsse ab und verletzte sechs Menschen aus Gambia, Nigeria, Ghana und Mali. Einige von ihnen wohnen schon länger in Italien, andere sind Asylbewerber, wie ein Polizeisprecher sagte. Der 28-Jährige hat nach eigenen Angaben aus Hass auf Menschen mit dunkler Hautfarbe gehandelt. Reue zeigte er nach seiner Festnahme nicht.
Aufnahmen von Kameras an einem Gebäude und in einer Kaffeebar, die am Sonntag im italienischen Fernsehen ausgestrahlt wurden, zeigen den Mann, wie er mit seinem Wagen vor einer Kaffeebar im Stadtzentrum hält, auf Personen schießt und weiterfährt. Sein Ziel waren Einwanderer aus Schwarzafrika, die in Macerata leben. Sechs von ihnen wurden verletzt, einer schwer. Nur wie durch ein Wunder starb niemand.
Faschistischer Gruß mit Flagge
Im Anschluss an die Schießerei verließ der Schütze seinen Wagen, erklomm ein Kriegerdenkmal, entfaltete eine italienische Flagge, legte sie sich um die Schulter, erhob seinen rechten Arm zum faschistischen Gruß und rief mehrfach mit lauter Stimme „Italien den Italienern“, „Tod allen Negern“. Am Sonntag erklärte der Mann, dass er stellvertretend für alle jene Italiener gehandelt habe, die es satt hätten, dass sich in Italien zu viele Einwanderer aufhielten.
Der Anschlag wurde von allen Mitte-Links-Parteien entschieden verurteilt. Doch Italiens rechte Parteien taten das nicht. „Genau das zeigt“, sagte am Sonntag der Philosoph und Linkspolitiker Massimo Cacciari, „wir sehr sich unsere italienische Gesellschaft bereits nach ganz rechts bewegt hat.“Italiens Innenminister Marco Minniti sprach von „offenem Rassenhass in Italien“und Regierungschef Paolo Gentiloni von „einer Gefahr für ganz Italien“.
Matteo Salvini, Chef der ausländerfeindlichen Partei Lega und nach eigenen Worten „der italienische Bruder von Marine Le Pen“, verurteilte zwar die Gewalt gegen Einwanderer, fügte aber hinzu, „dass wir uns nicht wundern dürfen, wenn sich Italiener angesichts einer nicht existierenden Flüchtlingsbegrenzung zu solchen Taten entscheiden“. Salvini sagte am Sonntag auch, dass man sich wehren müsse gegen jene Politiker, die aus Italien ein „Flüchtlingslager gemacht haben“.
Auch in der Partei „Fratelli d’Italia“der rechten Politikerin Giorgia Meloni gab es verständnisvolle Stimmen für Italiener, die es „leid sind, sich alles gefallen zu lassen“, so Meloni. Die Lega und die „Fratelli d’Italia“sind Partner im Wahlkampf von Silvio Berlusconis Forza Italia. Berlusconi bezeichnete den Anschlag als „Tat eines Geistesgestörten“. Der Polizei zufolge ist der junge Mann aber in keiner Weise gestört, er habe seine Tat bewusst geplant.
Tatsache ist, dass die Ablehnung von Ausländern in Italien immer größer wird. Das belegen Umfragen der vergangenen Wochen. Und das beweist auch das Verhalten nach dem rassistischen Anschlag in Macerata, wo etwa 700 Einwanderer aus Schwarzafrika leben. In sozialen Medien wie Facebook äußerten Hunderte Italiener Zustimmung für die Tat.
„Neofaschismus wieder salonfähig“
„Neofaschismus ist bei uns wieder salonfähig geworden“, sagte die Politikerin Emma Bonino. „Der Hass auf Ausländer, Frauen, Homosexuelle und Juden“habe „Ausmaße angenommen, die angesichts des Wahlkampfs gefährlich werden können“, so die prominente Frauenrechtlerin. Vor allem „angesichts einer immer größeren Zustimmung innerhalb der Bevölkerung“. In den vergangenen Wochen ist es zu mehreren neofaschistischen Aufmärschen in Norditalien gekommen, ohne dass Ordnungskräfte dagegen einschritten. Die gewalttätigen Übergriffe der vergangenen Monate auf Einwanderer seien, so Bonino, „ein Indiz dafür, dass Italien auf einem gefährlichen Weg ist“.