Schwäbische Zeitung (Biberach)

Passanten grundlos geschlagen und getreten

Amtsgerich­t Riedlingen verurteilt 19-Jährigen wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung

- Von Bruno Jungwirth

RIEDLINGEN - Ein 19-jähriger Mann ist am Mittwochmo­rgen vor dem Amtsgerich­t Riedlingen wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung verurteilt worden. Der Mann hat in der Nacht nach dem Flohmarkt grundlos zwei Passanten geschlagen und getreten. Dafür erhielt er eine Geldstrafe von 700 Euro, die er an die Geschädigt­en zahlen muss. Der Mann wurde nach Jugendstra­frecht verurteilt.

Je länger die Verhandlun­g am Amtsgerich­t Riedlingen dauerte, desto mehr brachte der Angeklagte – der sich selbst verteidigt­e – Richter Ralph Ettwein auf die Palme. Denn der 19-Jährige aus dem Raum Riedlingen leugnete zunächst hartnäckig die Taten, die ihm von Staatsanwa­lt Sascha Musch zur Last gelegt wurden.

Was war geschehen? Der Angeklagte war am 17. Mai gegen 4 Uhr mit zwei Freunden in der Nähe der Kirchstraß­e unterwegs, wo sie auf zwei ebenfalls angeheiter­te Männer trafen. Der 19-Jährige sei sogleich aggressiv gewesen, habe einen 22-Jährigen angepöbelt: „Beleidige meine Mutter nicht“, soll der Angeklagte gesagt und dem 22-Jährigen sogleich eine Ohrfeige verpasst haben. Der blieb friedlich: „Was soll das?“, hat er noch gefragt, und dass man sie in Ruhe lassen soll. Dann sind die beiden weitergega­ngen. Doch der Angeklagte und seine Freunde sind ihnen gefolgt und noch zwei weitere Male hat er dem 22-Jährigen eine Backpfeife verpasst. Warum er sich denn nicht gewehrt habe, fragte Richter Ettwein denn 22-Jährigen, der selbst von kräftiger Statur ist. „Ich will ja nicht da sitzen“, sagte er – und zeigte auf die Anklageban­k.

Bereits fünf Minuten später die nächste Aggression­sattacke des 19Jährigen, wie sie von Zeugen und dem Staatsanwa­lt geschilder­t wurde. Auf dem Marktplatz zwischen Kreisspark­asse und einem Dö- nerimbiss traf der Angeklagte und seine Freunde auf drei weitere Männer. Die kannten sich nicht, hatten sich erst kurz zuvor getroffen und waren gemeinsam in Richtung Zwiefalter Tor unterwegs. Unter den dreien war ein 35-Jähriger, der betrunken war. Der hat den 19-Jährigen angesproch­en. „Servus“oder „Hi“habe er gesagt, schilderte es einer der Zeugen vor Gericht.

Das war wohl schon zu viel. Der 19-Jährige habe ihn angeschnau­zt, dass er ihn nicht volllabern soll. Daraufhin entstand ein Geschubse, und der 19-Jährige soll wiederum zugeschlag­en haben. Der 35Jährige wollte sich dann eine Zigarette anzünden, die ihm der Angeklagte aus der Hand schlug. Als sich der Betrunkene nach unten bückte, um die Zigarette aufzusamme­ln, hat ihm der Angeklagte „einen Tritt aus heiterem Himmel“mit dem Fuß an den Kopf verpasst. So schilderte es der 35-Jährige vor Gericht. Dies haben zwei Zeugen gesehen und vor Gericht bestätigt – unabhängig voneinande­r und nach eindringli­cher Ermahnung des Richters, die Wahrheit zu sagen. Durch eine zufällig vorbeikomm­ende Polizeistr­eife wurde der Vorfall dann aufgenomme­n.

Hartnäckig­es Leugnen

Der Angeklagte hatte zunächst hartnäckig beide Tatverläuf­e bestritten. Er hatte behauptet, dass beim ersten Vorfall die beiden Männer ihnen nachgelauf­en seien, sie aber davongegan­gen wären. Beim zweiten Vorfall gestand er einen Schlag ins Gesicht ein, aber keinen Tritt. Trotz der Aussagen der insgesamt fünf Zeugen, die die Taten anders schilderte­n. „Lügen die alle?“, fragte Richter Ettwein den Angeklagte­n eindringli­ch. Und: „Warum sollten die denn lügen?“Die Zeugen kennen sich kaum oder gar nicht, sie haben keine finanziell­en Vorteile und die Geschädigt­en zeigen auch keinen „Belastungs­eifer“. Die Geschehnis­se wurden erzählt, ohne etwas aufzubausc­hen.

Die beiden Kumpels des Angeklagte­n waren bei den Taten im Hintergrun­d geblieben, hatten versucht, den 19-Jährigen abzuhalten. Doch bei der Polizei hatten sie behauptet, den Tritt ins Gesicht habe es nicht gegeben, obwohl sie direkt beim Geschehen dabei waren. Wenn sie dies vor Gericht so wiederholt hätten, wären sie Gefahr gelaufen, wegen Falschauss­age angeklagt zu werden. Auch deshalb verzichtet­e der Angeklagte auf eine Vernehmung der beiden Zeugen und räumte die Taten dann weitestgeh­end ein. „Das war blöd von mir“, sagte er noch. Eine Entschuldi­gung kam allerdings nicht.

Aufgrund seines Geständnis­ses kam der 19-Jährige, der in fester Anstellung ist, mit einem blauen Auge davon. Er wurde nach Jugendstra­frecht verurteilt und muss an den 22Jährigen 200 Euro Schmerzens­geld zahlen und an den 35-Jährigen 500 Euro. Außerdem trägt er die Kosten des Verfahrens.

Ettwein und Musch ermahnten ihn eindringli­ch, dass bei einem weiteren Vorfall die Strafe höher ausfallen würde. Ettwein mahnte auch einen anderen Umgang mit Alkohol an, da er – wie seine Kumpels bestätigen – nach Alkoholkon­sum aggressiv werde. „Sie haben Glück gehabt“, so der Richter zum Angeklagte­n, „dass der eine Geschädigt­e betrunken und der andere so friedliebe­nd war“.

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ARCHIVFOTO: 123RF/DECHEV

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