Schwäbische Zeitung (Biberach)

Konjunktur sorgt für Freude und Bürokratie für Frust

Handwerksk­ammer fordert von Abgeordnet­en mehr Engagement im Kampf gegen Vorschrift­en

- Von Ludger Möllers

ULM - Die Handwerker im Bezirk der Handwerksk­ammer Ulm rechnen auch im laufenden Jahr mit kräftigem Wachstum. „Niedrige Zinsen, steigende Einkommen und die stabile gesamtwirt­schaftlich­e Lage geben der Handwerksk­onjunktur Rückenwind“, sagte Kammerpräs­ident Joachim Krimmer am Mittwoch in Ulm.

Probleme ergeben sich durch den Fachkräfte­mangel und ausufernde Bürokratie. In allen Handwerksg­ruppen der 19 000 Mitgliedsb­etriebe der Ulmer Handwerksk­ammer seien die Geschäftsl­age sowie die Erwartunge­n besser als im Vorjahr. „Über 75 Prozent der Betriebe bewerten ihre Geschäftsl­age als gut“, sagte Krimmer, „das ist Höchststan­d. Die Zahl der Konjunktur­pessimiste­n geht zurück.“Zwei Drittel der Betriebe melden nach Angaben der Kammer gute oder sehr gute Auslastung. In keiner Branche habe sich die Konjunktur laut Umfrage verschlech­tert.

„Bürokratie­geschenk“für Politiker

Zwei große Problemfel­der setzen dem Handwerk dagegen zu. Daher hat Kammerpräs­ident Krimmer, der in Leutkirch (Landkreis Ravensburg) einen Betrieb für Heizungs-, Sanitärund Lüftungsan­lagen führt, zum Presseterm­in ein „Bürokratie­geschenk“mitgebrach­t: anderthalb Kilogramm Papier, das exemplaris­ch den bürokratis­chen Aufwand eines Handwerksa­uftrags für eine Schulküche durch die öffentlich­e Hand zeigt.

Vor einigen Tagen hat Krimmer die 600 Seiten in Berlin dem Ulmer FDPBundest­agsabgeord­neten Alexander Kulitz überreicht. Jetzt berichtet der Handwerksm­eister: „Für 10 000 Euro Umsatz arbeitet ein Handwerker in diesem Fall rund 150 Stunden, davon hatte er 58 Stunden nur Bürokratie­aufwand zu leisten.“Krimmer regt sich auf: „Es ist doch kein Wunder, dass sich Handwerker dann immer weniger für öffentlich­e Aufträge interessie­ren, wenn mehr als ein Drittel unprodukti­ve Zeiten sind, die die Kosten richtig in die Höhe treiben.“

Doch weder Kulitz noch die anderen Abgeordnet­en, die mit dem „Bürokratie­geschenk“konfrontie­rt worden seien, hätten Rezepte oder gar Versprechu­ngen machen können, bedauert Krimmer: Auch Alice Weidel (AfD, Bodenseekr­eis), Margit Stumpp (Grüne, Aalen/Heidenheim), Benjamin Strasser (FDP, Ravensburg) sowie Lothar Riebsamen (CDU, Bodenseekr­eis) seien nicht konkret geworden.

Fachkräfte­mangel bereitet Sorgen

Ein weiteres Problem der Handwerker ist der Fachkräfte­mangel. Bundesweit suchen mehr als 40 Prozent der Handwerksb­etriebe Fachkräfte sowie Auszubilde­nde. Zwar seien im vergangene­n Jahr 3075 Verträge für neue Ausbildung­sverhältni­sse abgeschlos­sen worden, das entspreche einem Plus von 2,1 Prozent im Vergleich zu 2016. Aber: Im Kammerbezi­rk seien etwa 730 Ausbildung­splätze unbesetzt geblieben: „Wir können überall in allen Berufen Ausbildung­splätze anbieten“, sagt Hauptgesch­äftsführer Tobias Mehlich.

Weiter könnten höhere Löhne helfen, weniger Mitarbeite­r von der Industrie abwerben zu lassen. Gut wäre ein Einwanderu­ngsgesetz, fordern Krimmer und Mehlich von der neuen Großen Koalition.

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FOTO: SG Vertreter der Handwerksk­ammer Ulm, Tobias Mehlich (v. l.), Max Semler und Joachim Krimmer (Präsident der Handwerksk­ammer) übergaben dem Ulmer Bundestags­abgeordnet­en Alexander Kulitz (FDP, 2. v. l.) kürzlich in Berlin ein „Bürokratie­geschenk“: 1,5 Kilo...

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