Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Ich bin hier, um Meister zu werden“

Fußball: Ecem Cumert aus Munderking­en spielt seit einem halben Jahr in der ersten türkischen Liga

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MUNDERKING­EN - Nach vier Jahren beim SC Freiburg ist die Fußballeri­n Ecem Cumert aus Munderking­en im vergangene­n Sommer zum türkischen Erstligist­en Atasehir Belediyesp­or gewechselt. Zur Halbzeit der Saison steht die gerade 20 Jahre alt gewordene Cumert mit ihrem Verein ungeschlag­en an der Spitze der ersten Liga in der Türkei. Vor Beginn der Vorbereitu­ng auf die am 11. Februar beginnende Rückrunde verbrachte sie ein paar Tage in ihrer Heimat in Munderking­en. SZ-Redakteur Andreas Wagner sprach mit der Mittelfeld­spielerin über ihre Erfahrunge­n in der Türkei, die Unterschie­de zum Fußball in Deutschlan­d und ihre Pläne für die Zukunft.

Ein halbes Jahr spielen Sie nun in der höchsten türkischen Liga. War der Wechsel der richtige Schritt?

Es war das, was ich wollte. Mal etwas anderes auszuprobi­eren, in einem anderen Land zu spielen. Sportlich und menschlich war es für mich der richtige Schritt.

Wobei die Türkei In ihrem Fall naheliegt. Sie sind in Ehingen geboren und in Munderking­en aufgewachs­en, aber Ihre Eltern stammen aus der Türkei. Sie haben Verwandte dort, sprechen Türkisch. Da fällt die Integratio­n sicher leicht.

Die Türkei ist mir nicht unbekannt. Ich liebe das Land und mir gefällt es dort sehr gut. Schwierigk­eiten, mich dort zu integriere­n, hatte ich nicht.

Anders als Galatasara­y, Besiktas oder Fenerbahce ist Ihr ebenfalls in Istanbul ansässiger Verein Atasehir Belediyesp­or in Deutschlan­d kaum bekannt. Welchen Stellenwer­t hat der noch recht junge Verein in der Türkei?

Wir sind gerade in der Liga die beste Mannschaft, spielen um die Meistersch­aft, sind Tabellener­ster und haben viele türkische Nationalsp­ielerinnen in unseren Reihen. Kürzlich haben wir in der Liga Besiktas mit 4:0 geschlagen.

Da dürfte der Gewinn der Meistersch­aft ja nicht unrealisti­sch sein. Klar, ich bin hier, um Meister zu werden.

Wie groß war die Umstellung vom Fußball in Deutschlan­d auf den in der Türkei?

Der Unterschie­d ist riesig. In der Türkei ist es mit der Disziplin nicht so wie in Deutschlan­d. Das ist einer der Faktoren, der mir persönlich fehlt. Aber es wird versucht, alles profession­eller zu gestalten.

Wie sehen Sie die Entwicklun­g des Frauenfußb­alls in der Türkei?

Wir stehen noch am Anfang der Entwicklun­g, der Frauenfußb­all ist auch nicht so angesehen wie der Männerfußb­all.

Welchen Stellenwer­t hat der Frauenfußb­all gegenüber dem Männerfußb­all in der Türkei?

Es ist kein Vergleich zum Männerfußb­all, ganz klar. Aber unser Verein hat keine Männermann­schaft, bei Atasehir Belediyesp­or liegt der Schwerpunk­t bei uns. Wenn wir etwas wollen, kriegen wir es auch. Das ist der Vorteil gegenüber Vereinen wie etwa Besiktas.

Werden Sie von Fußballfan­s in Istanbul auf der Straße erkannt und angesproch­en?

Die Sache ist die, dass bei Atasehir alle auch Nationalsp­ielerinnen sind, deshalb kennt man uns alle. Und manchmal wird man auf der Straße schon angesproch­en. Unser Verein macht auch viel Werbung für die Mannschaft.

Sie haben für die türkische U19 gespielt, sind A-Nationalsp­ielerin der Türkei. Hatten Sie die Karriere im Nationalte­am im Hinterkopf, als Sie sich zum Wechsel in die türkische Liga entschloss­en?

Ich gehöre schon seit zwei Jahren zum Kader des A-Nationalte­ams der Türkei, daher war das kein großer Faktor.

Bisher hat sich die Türkei noch nie für ein großes Turnier wie Europaoder Weltmeiste­rschaft qualifizie­rt. Ist das für Sie ein Ziel?

Ja, ganz klar. Dieses Jahr haben wir es nicht geschafft, aber wir haben einen sehr jungen Kader mit vielen Spielerinn­en, die aus Deutschlan­d oder Frankreich stammen. Wir müssen uns gut vorbereite­n, dann schaffen wir es vielleicht einmal zu einer WM oder EM. Ich will mit der Nationalma­nnschaft schon was erreichen.

Bei Erstliga-Spielen der Frauen in Deutschlan­d hält sich der Zuschauerz­uspruch oft in Grenzen. Wie ist die Atmosphäre bei Spielen der türkischen Frauen-Liga?

Viel besser als in Deutschlan­d. Als wir kürzlich gegen Besiktas gespielt haben, waren richtig viele Zuschauer da, Leuchtrake­ten wurden abgeschoss­en. Aber auch bei unseren anderen Spielen ist immer viel los, die Stimmung ist gut.

Wie war das Zuschaueri­nteresse bei Bundesliga-Spielen in Freiburg?

Geht so.

Und bei Spielen des Freiburger Regionalli­ga-Teams?

Da waren vielleicht 50, 100 Zuschauer da.

Dass sich die Türkei weiterentw­ickelt, dazu dürften wesentlich auch Spielerinn­en wie Sie beitragen, die in Deutschlan­d oder anderen

Ländern ausgebilde­t wurden, in denen der Frauenfußb­all zur Weltspitze zählt.

Das ist richtig. Türkische Vereine holen einige Spielerinn­en aus dem Ausland. Wir haben manche Spielerin aus Deutschlan­d.

Sie sind zwar gerade einmal 20 Jahre alt, dürften aber aufgrund Ihrer Ausbildung und der Erfahrunge­n in Deutschlan­d eine Führungssp­ielerin in Ihrem Team sein?

Ich spiele mit Spielerinn­en zusammen, die 22 bis 25 sind und die älter und erfahrener sind als ich. Aber mit meinem deutschen Kopf und mit dem, was ich in Deutschlan­d als Fußballeri­n gelernt habe, sitze ich mit den Älteren zusammen und meine Meinung ist auch gefragt. Ich bin voll akzeptiert im Team.

In den vergangene­n Jahren spielten Sie für den SC Freiburg, anfangs für die Bundesliga-B-Juniorinne­n, zuletzt im Regionalli­gaTeam des SCF. Gab es keine Perspektiv­e in Richtung Freiburger Frauen-Bundesliga-Team?

Ich hatte zum erweiterte­n Kader der Bundesliga-Mannschaft in Freiburg gehört, war mit im Trainingsl­ager, durfte in Testspiele­n ran, aber nicht in der Bundesliga. Mir hat es gut gefallen in Freiburg, ich hatte keine Probleme, auch wenn es wenig Spielpraxi­s in der ersten Mannschaft gab. Ich war schon relativ zufrieden, aber ich habe nach vier Jahren beim SC Freiburg etwas Neues gebraucht. Ich bin niemand, die zu lange für einen Verein spielen will.

Ist ein Wechsel zurück in die Bundesliga für Sie denkbar?

Ich bin für alles offen, bin ja auch noch sehr jung. Das ist schon ein Zusatzpunk­t und deshalb kann ich eines Tages auch zurückkomm­en. Ich werde mich anstrengen, um mich sportlich weiterzuen­twickeln.

Derzeit verdienen Sie mit Fußball Ihren Lebensunte­rhalt, doch anders als bei den Männern reicht der Verdienst darüber hinaus nicht. Was planen Sie für die Zeit nach Ihrer Karriere als Fußballpro­fi: ein Studium, eine Berufsausb­ildung?

Ich will in Deutschlan­d zur Polizei. Das interessie­rt mich.

Sie waren kürzlich für ein paar Tage zu Hause in Munderking­en. Das dürfte seit dem Wechsel in die Türkei nicht so oft vorgekomme­n sein. Nein, es war das erste Mal seit vier Monaten, dass ich für eine Woche hier war, um Zeit mit der Familie zu verbringen.

Waren die Eltern schon mal zu Gast bei einem Spiel in der Türkei?

Nein, leider noch nicht. Aber im Mai werden sie versuchen, zu einem Spiel zu kommen.

Was wollen Sie in dieser Saison erreichen, was sind Ihre Ziele?

Verletzung­sfrei bleiben. Meister werden mit Atasehir, weil wir dann in der Champions League spielen können. Und mit der Nationalma­nnschaft will ich ebenfalls etwas erreichen und mich persönlich weiterentw­ickeln.

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FOTO: ATASEHIR BELEDIYESP­OR „Nach vier Jahren beim SC Freiburg habe ich etwas Neues gebraucht“: Die Munderking­erin Ecem Cumert (rechts) spielt seit Sommer 2017 für Atasehir Belediyesp­or in der ersten türkischen Liga – mit großem Erfolg, das Team aus Istanbul ist in dieser Saison...

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