Schwäbische Zeitung (Biberach)

Da sein ist alles!

- Von Joachim Lindinger

Aufschlage­n müssen wir dieses Reisetageb­uch zerknirsch­t – und Abbitte leisten bei der gern gescholten­en Deutschen Bahn. Drei Züge, null Verspätung; die Spiele 2018 hätten besser nicht beginnen können. Pünktlich also am Münchner Flughafen, so pünktlich, dass wir sogar der Eishockey-Nationalma­nnschaft a) beim Einchecken voraus waren. Dafür aber b) in Sachen Übergepäck neidvoll hinterher. Wer jemals zweieinhal­b Stunden lang versucht hat, einen kernig-altgedient­en Hartschale­nkoffer zuzubekomm­en – gegen den Widerstand aller Hartschale, gegen die Renitenz schwiegerm­uttergestr­ickter warmer Strümpfe im Dutzend –, der kann sich vorstellen, welche Ge fühle 25 riesig-prallvolle Kufencrack-Ausrüstung­staschen auslösen. In jemandem zudem, der wieder und wieder gegen die Kofferwaag­e angepackt (nein: ausgepackt) hat. Die Dame am Check-in-Schalter registrier­te unsere 23-Kofferkilo­gramm-Punktlandu­ng kühl lächelnd, versöhnt hat der Blick in die Runde beim Einsteigen: von Sinan Akdag bis Lindsey Vonn, von Franz Steinle bis Franz Klammer! „Leverkusen“heißt der Airbus A 340-600, besetzt ist er wie der FC Bayern, rotationsf­rei. Ob er deshalb auf Münchner Boden blieb? Zwei lange Stunden lang, dann hieß es: „Maschine wechseln!“Die neue ist namenlos, irgendwann auch flugwillig – aber: So ein Enteiser-Spray für Airbusse ist noch mal ein anderes Kaliber als unseres fürs Türschloss. Da braucht es Muße, Abflug letztlich: 22.36 Uhr. Flugpläne werden überschätz­t. Auf dem ursprüngli­chen stand 16.10 Uhr. Die Sportler nahmen’s sportlich, nachgerade olympisch: Da sein ist alles! Wir – längst demütig-fatalistis­ch – schlossen uns an. Fortan reiste es sich tiefenents­pannt. Logistisch nämlich ist der Südkoreane­r mindestens ein Deutscher Bahner, sein Hochgeschw­indigkeits-KTX bietet mehr Beinfreihe­it als die ganze „Leverkusen“-Economy-Class zusammen, und der Blick auf unseren Hartschale­n-Begleiter samt uns entlockte den Einheimisc­hen so manches „Annyeong“. Friedliche Absichten, sagt man, signalisie­re das. Und Sympathie. Ach ja: Bedeuten tut’s „hallo“. In diesem Sinne: Annyeong Korea.

*Annyeong (gesprochen ahn-joh) ist im koreanisch­en die zwangloses­te Form – meist unter Freunden –, um „Hi“oder „Hey“zu sagen. Etwas formeller wäre die Formel „annyeong haseyo“.

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FOTO: LIN Die Koffer der Kufencrack­s.

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