Schwäbische Zeitung (Biberach)
Grüne ganz „vernarrt“in Heimat
Kretschmann kritisiert Heimatministerium – Roth und Özdemir haben persönlichen Bezug zur Region
BIBERACH - Bereits zum 23. Mal ist Biberach die Heimat der Grünen gewesen – zumindest für den Politischen Aschermittwoch. Drei Stunden lang sprachen unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann sowie die Bundespolitiker Claudia Roth und Cem Özdemir zu den mehr als 1000 Besuchern. Wegen Überfüllung musste die Stadthalle vorzeitig geschlossen werden. Wer es hinein schaffte, bekam vor allem ein Thema serviert: Heimat.
„Vernarrt in Grün“stand auf dem Rednerpult und in großen Lettern vor einem grünen Hintergrund geschrieben. Dort hätte auch gut „Vernarrt in Heimat“stehen können, hielt der Begriff „Heimat“doch fast in allen Reden Einzug. Nach der Begrüßung durch Alina Welser (siehe Text unten), trat Biberachs Finanzbürgermeister Roland Wersch ans Mikrofon. „Starke Grüne treffen auf eine starke Region“, sagte Wersch, der das Parteibuch der CDU hat.
Im Landkreis-Ranking des Magazins „Focus“belegte Biberach den sechsten Platz und sei damit erfolgreicher als Stuttgart. „Das müssen die Herrschaften aus der Landeshauptstadt jetzt aushalten“, so Wersch in Richtung Kretschmann, Winfried Hermann (Verkehrsminister) und Franz Untersteller (Umweltminister). In kommunalpolitischer Hinsicht würde für diesen Erfolg viel getan, so der Finanzbürgermeister. Doch auch hier, in Biberach, bewege man sich in einem Spagat zwischen den Interessen der Landwirtschaft und der Unternehmen, dem Schutz der Umwelt und dem Ausbau der Infrastruktur. Er freue sich, die Grünen in Biberach begrüßen zu dürfen, in einer Stadt, in der es keine wirkliche Fasnet gebe, sich stattdessen alles auf Schützen konzentriere.
Zu Biberach – beziehungsweise zur Region drumherum – haben Roth und Özdemir auch einen ganz persönlichen Bezug. Für Özdemir hatten
sich die Grünen im Kreis etwas Besonderes ausgedacht: Der Schussenrieder Alex Köberlein von Grachmusikoff moderierte den Bundespolitiker an. „Für ’nen Wurstweggn und a Flasch Bier mach i des“, sagte Köberlein.
„Er ist mein Idol. Sein Konzert war das erste, das ich als 15-Jähriger besuchen durfte“, sagte Özdemir sichtlich erfreut. „Besser kann es heute nicht werden. Eigentlich könnte ich jetzt wieder nach Hause gehen.“
So kam es natürlich nicht, Özdemir teilte, wie zuvor die Europaabgeordnete Maria Heubuch auch schon, gegen die anderen Parteien aus. Für Roth war der Auftritt in Biberach nach eigener Aussage „eine Reise in ihre Kindheit, ein Eintauchen in schöne Erinnerung“. Ihr Vater, Maximilian Roth, sei in Bellamont geboren, im Gasthaus Adler in Ochsenhausen habe sie sonntags Braten gegessen und mit ihrer Mutter „Kulturausflüge“ins Braith-MaliMuseum unternommen: „Hier in Biberach riecht es nach Heimat.“Im Gegensatz zur CSU sei Heimat für sie nicht in sich geschlossen. Jeder dürfe daran teilhaben: „Heimat ist da, wo du gebraucht wirst.“In Bezug auf ein mögliches Heimatministerium auf Bundesebene, welches Horst Seehofer (CSU) übernehmen soll, sagte die Vizepräsidentin des Bundestags: „Tucholsky hat recht: Satire darf alles.“Insgesamt gingen an diesem Tag viele Spitzen in Richtung CSU, die Landtagswahl im Oktober lässt grüßen.
„Für ’nen Wurstweggn und a Flasch Bier mach i des.“Grachmusikoff-Gründer Alex Köberlein moderiert Özdemir an
Kretschmann hält von einem potenziellen Heimatministerium ebenfalls wenig. „Als nächstes bekommen wir noch ein Liebesministerium“, sagte er. Heimat sei etwas Schönes, aber nichts, was „die Politik machen kann“. Aber: Die Politik müsse dafür sorgen, diese Heimat zu bewahren. Er nannte das Artensterben und die Klimaerwärmung als Beispiele für Rahmenbedingungen, die „unsere Heimat in ihrem Fundament erschüttern.“Der Kreis Biberach habe beste Zukunftsperspektiven. Damit dies auch so bleibt, wolle das Land unter anderem bei der Digitalisierung helfen. „Ich möchte Sie nochmals zum Zuschlag für das Digitalisierungszentrum beglückwünschen“, sagte Kretschmann. Wie berichtet erhält die Region Ulm/Alb-Donau/Biberach mehrere Einrichtungen, um die Digitalisierung voranzutreiben.
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„Als nächstes bekommen wir noch ein Liebesministerium.“Ministerpräsident Winfried Kretschmann spottet über das Heimatministerium auf Bundesebene
Ein Video und weitere Fotos gibt es unter www.schwäbische.de/ gruene2018-bc