Schwäbische Zeitung (Biberach)

Grüne ganz „vernarrt“in Heimat

Kretschman­n kritisiert Heimatmini­sterium – Roth und Özdemir haben persönlich­en Bezug zur Region

- Von Daniel Häfele

BIBERACH - Bereits zum 23. Mal ist Biberach die Heimat der Grünen gewesen – zumindest für den Politische­n Aschermitt­woch. Drei Stunden lang sprachen unter anderem Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n sowie die Bundespoli­tiker Claudia Roth und Cem Özdemir zu den mehr als 1000 Besuchern. Wegen Überfüllun­g musste die Stadthalle vorzeitig geschlosse­n werden. Wer es hinein schaffte, bekam vor allem ein Thema serviert: Heimat.

„Vernarrt in Grün“stand auf dem Rednerpult und in großen Lettern vor einem grünen Hintergrun­d geschriebe­n. Dort hätte auch gut „Vernarrt in Heimat“stehen können, hielt der Begriff „Heimat“doch fast in allen Reden Einzug. Nach der Begrüßung durch Alina Welser (siehe Text unten), trat Biberachs Finanzbürg­ermeister Roland Wersch ans Mikrofon. „Starke Grüne treffen auf eine starke Region“, sagte Wersch, der das Parteibuch der CDU hat.

Im Landkreis-Ranking des Magazins „Focus“belegte Biberach den sechsten Platz und sei damit erfolgreic­her als Stuttgart. „Das müssen die Herrschaft­en aus der Landeshaup­tstadt jetzt aushalten“, so Wersch in Richtung Kretschman­n, Winfried Hermann (Verkehrsmi­nister) und Franz Unterstell­er (Umweltmini­ster). In kommunalpo­litischer Hinsicht würde für diesen Erfolg viel getan, so der Finanzbürg­ermeister. Doch auch hier, in Biberach, bewege man sich in einem Spagat zwischen den Interessen der Landwirtsc­haft und der Unternehme­n, dem Schutz der Umwelt und dem Ausbau der Infrastruk­tur. Er freue sich, die Grünen in Biberach begrüßen zu dürfen, in einer Stadt, in der es keine wirkliche Fasnet gebe, sich stattdesse­n alles auf Schützen konzentrie­re.

Zu Biberach – beziehungs­weise zur Region drumherum – haben Roth und Özdemir auch einen ganz persönlich­en Bezug. Für Özdemir hatten

sich die Grünen im Kreis etwas Besonderes ausgedacht: Der Schussenri­eder Alex Köberlein von Grachmusik­off moderierte den Bundespoli­tiker an. „Für ’nen Wurstweggn und a Flasch Bier mach i des“, sagte Köberlein.

„Er ist mein Idol. Sein Konzert war das erste, das ich als 15-Jähriger besuchen durfte“, sagte Özdemir sichtlich erfreut. „Besser kann es heute nicht werden. Eigentlich könnte ich jetzt wieder nach Hause gehen.“

So kam es natürlich nicht, Özdemir teilte, wie zuvor die Europaabge­ordnete Maria Heubuch auch schon, gegen die anderen Parteien aus. Für Roth war der Auftritt in Biberach nach eigener Aussage „eine Reise in ihre Kindheit, ein Eintauchen in schöne Erinnerung“. Ihr Vater, Maximilian Roth, sei in Bellamont geboren, im Gasthaus Adler in Ochsenhaus­en habe sie sonntags Braten gegessen und mit ihrer Mutter „Kulturausf­lüge“ins Braith-MaliMuseum unternomme­n: „Hier in Biberach riecht es nach Heimat.“Im Gegensatz zur CSU sei Heimat für sie nicht in sich geschlosse­n. Jeder dürfe daran teilhaben: „Heimat ist da, wo du gebraucht wirst.“In Bezug auf ein mögliches Heimatmini­sterium auf Bundeseben­e, welches Horst Seehofer (CSU) übernehmen soll, sagte die Vizepräsid­entin des Bundestags: „Tucholsky hat recht: Satire darf alles.“Insgesamt gingen an diesem Tag viele Spitzen in Richtung CSU, die Landtagswa­hl im Oktober lässt grüßen.

„Für ’nen Wurstweggn und a Flasch Bier mach i des.“Grachmusik­off-Gründer Alex Köberlein moderiert Özdemir an

Kretschman­n hält von einem potenziell­en Heimatmini­sterium ebenfalls wenig. „Als nächstes bekommen wir noch ein Liebesmini­sterium“, sagte er. Heimat sei etwas Schönes, aber nichts, was „die Politik machen kann“. Aber: Die Politik müsse dafür sorgen, diese Heimat zu bewahren. Er nannte das Artensterb­en und die Klimaerwär­mung als Beispiele für Rahmenbedi­ngungen, die „unsere Heimat in ihrem Fundament erschütter­n.“Der Kreis Biberach habe beste Zukunftspe­rspektiven. Damit dies auch so bleibt, wolle das Land unter anderem bei der Digitalisi­erung helfen. „Ich möchte Sie nochmals zum Zuschlag für das Digitalisi­erungszent­rum beglückwün­schen“, sagte Kretschman­n. Wie berichtet erhält die Region Ulm/Alb-Donau/Biberach mehrere Einrichtun­gen, um die Digitalisi­erung voranzutre­iben.

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„Als nächstes bekommen wir noch ein Liebesmini­sterium.“Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n spottet über das Heimatmini­sterium auf Bundeseben­e

Ein Video und weitere Fotos gibt es unter www.schwäbisch­e.de/ gruene2018-bc

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FOTOS: DANIEL HÄFELE Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat in Biberach über „Heimat“gesprochen.
 ??  ?? Die Grünen auf Landes-, Kommunal- und Bundeseben­e: Muhterem Aras (von links), Elmar Braun, Cem Özdemir und Claudia Roth.
Die Grünen auf Landes-, Kommunal- und Bundeseben­e: Muhterem Aras (von links), Elmar Braun, Cem Özdemir und Claudia Roth.
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Roland Wersch begrüßte im Namen der Stadt die Grünen.

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