Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wie geht’s weiter am Kirchplatz 7?

Stadt weist Vorwürfe zurück, sie blockiere das Bauprojekt absichtlic­h.

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Seit Monaten hängen in den Schaufenst­ern des Hauses Kirchplatz 7 (ehemaliges Baderhaus) Plakate, in denen die Stadtverwa­ltung kritisiert wird, das dort geplante Bauvorhabe­n bewusst und mit Absicht zu blockieren. Nach der Anfrage einer Stadträtin in der jüngsten Sitzung des Bauausschu­sses ist die Stadtverwa­ltung nun ihrerseits mit dem Thema an die Öffentlich­keit gegangen. „Wir waren bislang sehr zurückhalt­end, aber hier werden permanent Falschbeha­uptungen aufgestell­t“, sagt Baubürgerm­eister Christian Kuhlmann. Es werde suggeriert, die Stadt behindere, wo es nur geht. „Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben versucht zu helfen, wo immer es ging – aber immer im rechtliche­n Rahmen.“

Die dicht beklebten Schaufenst­er am Kirchplatz 7 mit ihren kritischen Äußerungen in Richtung Stadtverwa­ltung gehören fast schon zum vertrauten Bild an dieser Ecke der Biberacher Altstadt. Manche schütteln darüber nur noch den Kopf, andere fragen sich, ob an den Vorwürfen etwas dran ist, die Stadt würde den Umbau und die Sanierung des um 1900 erbauten, denkmalges­chützten Gebäudes absichtlic­h behindern. „Das Haus hat für uns eine öffentlich­e Bedeutung, deswegen werden wir alles tun, um eine Sanierung zu ermögliche­n“, sagt Kuhlmann. Dabei müsse man sich aber an geltende Vorschrift­en halten.

Kritik: Daten öffentlich gemacht

Öffentlich wurde das ganze Thema nun wieder durch Grünen-Stadträtin Silvia Sonntag. Sie hatte – wie andere Stadträte und weitere Stellen auch – eine E-Mail der beiden Hauseigent­ümer erhalten, in der neben einem zwölfseiti­gen Schreiben mit Kritik an der Verwaltung auch Fotos von Dokumenten aus der Bauakte des Gebäudes enthalten waren. Auf einem davon waren Name und Adresse des früheren Eigentümer­s lesbar. „Diese Daten haben meiner Meinung nach nichts in der Öffentlich­keit verloren“, sagt Silvia Sonntag. Durch den riesigen Verteiler der E-Mail seien die Daten nun öffentlich. Kuhlmann bestätigt diese Sichtweise. Die jetzigen Bauherren hätten Akteneinsi­cht bekommen und Dokumente fotografie­rt. „Das dürfen sie, sie dürfen diese Fotos aber nicht öffentlich machen.“

Der Baubürgerm­eister nutzte Sonntags Anfrage im Ausschuss seinerseit­s, um in einer Präsentati­on den Verlauf und jetzigen Stand des Bauprojekt­s Kirchplatz 7 aus Sicht der Stadtverwa­ltung zu erläutern. So ist im Januar 2010 von den jetzigen Eigentümer­n ein Bauantrag gestellt worden. Ins Erdgeschos­s sollte ein Imbiss samt Bäckerlade­n eingebaut werden. Beantragt wurden außerdem eine Absenkung des Erdgeschos­ses, ein Ausbau des Kellergesc­hosses sowie Treppen vom Unter- ins Erd- und vom Erdins Obergescho­ss. In die Decke über dem Erdgeschos­s – laut Bauantrag der Eigentümer eine Holzbalken­decke – war kein Eingriff vorgesehen. An dieser Decke entzündete sich der nun seit Jahren schwelende Konflikt.

Zunächst erteilte die Stadt im Jahr 2010 die Genehmigun­g für das Bauvorhabe­n, woraufhin die Eigentümer mit den Arbeiten begannen. Im Oktober 2015 allerdings stellte die Verwaltung

„massive Eingriffe“in die besagte Decke fest und stellte die Baustelle ein. „Sobald in einem Denkmal nicht genehmigte bauliche Eingriffe erfolgen, müssen wir den Bau einstellen. Da haben wir gar keine andere Wahl“, sagt Kuhlmann.

Die Bauherren wiederum klagten im November 2015 beim Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n gegen die Baueinstel­lung. Es dauerte allerdings bis August 2016, ehe das Gericht eine Entscheidu­ng fällte und die Baueinstel­lung durch die Stadt für rechtmäßig erklärte. „Dieses knappe Jahr Verzögerun­g war nicht die Schuld der Stadt, sondern hervorgeru­fen durch den Widerspruc­h der Bauherren“, sagt Kuhlmann. Hätte man von Eigentümer­seite gleich das konstrukti­ve Gespräch mit dem Denkmalamt gesucht, hätte sich diese Verzögerun­g unter Umständen vermeiden lassen, sagt er.

Einen Termin mit Denkmalsch­utzbehörde, Stadtverwa­ltung, Bauherren und Architekte­n gab es aber erst im November 2016. Dabei wurde eine gemeinsame Vorgehensw­eise fixiert und protokolli­ert. Teile dieser Vereinbaru­ng seien inzwischen erfüllt worden, andere nicht oder nur unvollstän­dig, sagt Kuhlmann. So seien beim Gespräch von den Bauherren auch Eingriffe in die Fassade, eine andere Nutzung des Erdgeschos­ses und der Wunsch nach energetisc­her Sanierung geäußert worden. „Ein entspreche­nder Bauantrag hierzu liegt uns aber bis heute nicht vor“, so der Baubürgerm­eister. Den ebenfalls angeordnet­en Wiedereinb­au eines entfernten Pitchpine-Bodens (Kiefer) lehnen die Bauherren ab.

Stattdesse­n sehen diese es aufgrund der Bauakte als bewiesen an, dass die im Plan von 2010 vermerkte „Holzbalken­decke“zu dieser Zeit so nicht mehr existiert habe und bereits in früheren Jahrzehnte­n Stahlträge­r eingebaut worden seien. Inzwischen sind vom Bauherren neue Stahlträge­r eingezogen worden. Ob es die erwähnte Holzbalken­decke so überhaupt gegeben hat, ist jetzt nicht mehr festzustel­len. „Das vor Baubeginn zu dokumentie­ren, ist nicht Sache der Stadt, sondern hätte von den Bauherren gemacht werden müssen“, sagt Kuhlmann. „Wir halten uns bei der Genehmigun­g an das, was im Plan des Architekte­n vermerkt ist“, sagt Kuhlmann, „und dort steht , Holzbalken­decke“.

„Wir haben versucht zu helfen, wo immer es ging – aber immer im rechtliche­n Rahmen.“Baubürgerm­eister Christian Kuhlmann

„Es war ein Fehler“

Weil von der alten Decke nun ohnehin nichts mehr zu retten ist, hat die Stadt die Bauherren im Oktober 2017 in einem Schreiben darüber informiert, dass die im Jahr 2010 genehmigte­n Bauarbeite­n fortgesetz­t werden können, anderweiti­ge Arbeiten allerdings erst, wenn entspreche­nde Unterlagen dafür vorliegen. Dass in diesem Infoschrei­ben auch ein Abhängen der Plakate in den Schaufenst­ern gefordert wurde, sehen die Bauherren nun als Eingriff in ihr Grundrecht auf Meinungsäu­ßerung und legten Widerspruc­h ein. „Es war ein Fehler, das reinzuschr­eiben“, sagt Kuhlmann, „wir wissen, dass wir ein Abhängen der Plakate rechtlich nicht fordern können. Es war als Appell gemeint.“Um das klarzustel­len, hat die Stadt am 7. Februar einen förmlichen Bescheid an die Bauherren geschickt, dass die Bauarbeite­n auf Grundlage der Genehmigun­g von 2010 unter Auflagen wieder aufgenomme­n werden können – diesmal ohne Aufforderu­ng zum Abhängen der Plakate.

Ob und wann es mit den Bauarbeite­n tatsächlic­h weitergeht, ist derzeit ungewiss. Mehrere Gesprächsa­ngebote seitens der Stadt seien von den Bauherren abgelehnt oder kurzfristi­g abgesagt worden, sagt Kuhlmann. Auch das Angebot der Stadt, eigene Zuschüsse zur Denkmalsan­ierung zur Verfügung zu stellen, sei abgelehnt worden.

Die Behauptung der Eigentümer, die Stadt versuche das Gebäude anderen Investoren schmackhaf­t zu machen, weist der Baubürgerm­eister zurück. „Wir haben angeboten, dass wir das Gebäude als Stadt übernehmen oder Investoren suchen können – aber nur für den Fall, dass die Eigentümer es selbst nicht sanieren wollen oder können.“

Eine E-Mail der SZ mit der Bitte um Stellungna­hme zum Bauvorhabe­n haben die Eigentümer bislang nicht beantworte­t.

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FOTO: GERD MÄGERLE
 ?? FOTO: GERD MÄGERLE ?? Mit Fackeln setzten die Mitglieder der Jugendfeue­rwehr Mettenberg ihren Funken in Brand.
FOTO: GERD MÄGERLE Mit Fackeln setzten die Mitglieder der Jugendfeue­rwehr Mettenberg ihren Funken in Brand.
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FOTO: GERD MÄGERLE Die Stadtverwa­ltung weist die am Haus Kirchplatz 7 auf Plakaten geäußerte Kritik als Falschbeha­uptungen zurück.

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