Schwäbische Zeitung (Biberach)

Aus Geldnot stieg sie zu Freiern ins Auto

32-jährige Rumänin suchte geregelten Job und rutscht in die Prostituti­on ab

- Von Ariane Attrodt

NEU-ULM - Irgendwann kann die Angeklagte die Tränen nicht mehr zurückhalt­en: „Ich wollte eine richtige Arbeit. Ich wollte das nicht für immer machen.“Die 32-Jährige war von Rumänien nach Deutschlan­d gekommen – und hier in die Prostituti­on abgerutsch­t. Weil sie sich jedoch nicht in Bordellen mit ihren Freiern traf, wie es in Neu-Ulm gesetzlich erlaubt ist, sondern sich mit ihnen auf einem Supermarkt-Parkplatz verabredet­e, rief das die Polizei auf den Plan.

Gegen einen Strafbefeh­l hatte sie Einspruch eingelegt. Deshalb landete die Sache nun beim Neu-Ulmer Amtsgerich­t. Neben der Rumänien auf der Anklageban­k: Ein 61-jähriger Neu-Ulmer, der sich wegen Beihilfe verantwort­en musste – und bei dem die 32-Jährige derzeit wohnt. Als die 32-Jährige vor etwa zwei Jahren nach Deutschlan­d kam, lebte sie zunächst im baden-württember­gischen Neuenstein. Dort wohnte eine Bekannte aus Rumänien, die ihr vorschlug, als Prostituie­rte Geld zu verdienen. Dabei lernte sie den 61-Jährigen aus Neu-Ulm kennen, er wurde ihr Stammkunde – und auch eine Art Berater: Der Mann, zu dem die Frau im Herbst 2016 nach Neu-Ulm zog, setzte für die Rumänin ein Profil auf einem einschlägi­gen Forum für Prostituti­on auf, half ihr bei der Festsetzun­g der Preise, fuhr sie manchmal zu Treffen mit den Freiern. Der Parkplatz habe sich als Treffpunkt angeboten: „Da konnte sie hinlaufen und da sind tagsüber auch viele Leute.“Aber es sei immer klar gewesen, dass die 32-Jährige so schnell wie möglich einen anderen, seriösen Job will. Rund 300 bis 400 Euro sowie Pakete mit Süßigkeite­n schickt die Frau monatlich nach Rumänien an ihre beiden Töchter – eine lebte damals bei ihrem Vater, die andere bei einer Bekannten. Alle drei Monate flog sie in ihre Heimat, um ihre Familie zu besuchen. Auch Vater und Schwester stecke sie immer wieder ein bisschen Geld zu.

Das Internetpr­ofil, mit dem sie sich dieses Geld verdiente, entdeckten jedoch nicht nur die Freier, sondern auch die Beamten der Kriminalpo­lizei Neu-Ulm. Ihnen sei gleich aufgefalle­n, dass der in gutem Deutsch verfasste Texte wohl nicht von der Rumänin selbst stammen könne. „Das legte den Verdacht nahe, dass noch jemand mit dahinter steht“, schilderte ein Kriminalpo­lizist vor Gericht. Er fügte hinzu: „Das Problem ist, das viele der Frauen, die außerhalb der genehmigte­n Stätten der Prostituti­on nachgehen, Gewalt erfahren oder irgendwelc­he Psychopath­en auftauchen.“Die Polizei verabredet­e sich zum Schein mit der 32Jährigen auf dem Supermarkt-Parkplatz. Als ihr die Beamten an jenem Tag erzählt hatten, dass es illegal sei, was sie tut, habe die Angeklagte damit aufgehört und eine Zeit lang in einem Bordell gearbeitet, erzählte die Rumänin vor Gericht. Doch auch diese Zeit ist mittlerwei­le vorbei: Derzeit ist die 32-Jährige als Küchenhilf­e angestellt, hat zudem einen Nebenjob in der Computerte­chnik und spricht schon recht gut deutsch.

Richterin Gabriele Buck folgte in ihrem Urteil der Forderung der Staatsanwä­ltin Patrizia Rabe: eine Geldstrafe von 1200 Euro (60 Tagessätze­n zu je 20 Euro) für die 32-Jährige, für den 61-Jährigen eine Geldstrafe von 2400 Euro (60 Tagessätze zu je 40 Euro). „Es war ganz wichtig hier noch einige Dinge klarzustel­len“, sagte Buck. So habe sich beispielsw­eise die finanziell­e Situation des 61-Jährigen „drastisch verändert“: Sein Geschäft als Selbststän­diger in der Hygienetec­hnik könne er wegen der gesunkenen Nachfrage seit vergangene­n Juni laut seinen eigenen Worten nur noch „im kleinen Stil“betreiben.

Dennoch betonte Buck: Er habe wissen müssen, dass Straßenpro­stitution verboten sei und „das kreide ich Ihnen schon ein bisschen an“. Das Verhalten der 32-Jährigen sei allerdings „auch aus der Not heraus mit geschehen“, so die Richterin weiter. Die Angeklagte habe ihre Kinder unterstütz­en wollen und habe keine andere Möglichkei­t gesehen. Es sei jedoch „wirklich gefährlich“gewesen, dass die Frau sich auf eigene Faust mit Freiern getroffen habe. Sie warnte beide eindringli­ch: „Lassen Sie sich nur so etwas nicht mehr einfallen, denn das geht nicht immer glimpflich aus.“

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