Schwäbische Zeitung (Biberach)
Bauboom und Tourismus treiben Wachstum in Portugal an
Sozialistische Regierung hievt Land in Rekordzeit aus der Krise – Spanien abgehängt
LISSABON - Portugals Regierungschef António Costa hat allen Grund stolz zu sein: Der 56-jährige Sozialist, der seit etwas mehr als zwei Jahren in Portugal am Ruder ist, überraschte alle. Mit großem Erfolg schaffte er es, das südeuropäische Euroland am Atlantik aus dem stürmischen Krisenwellental zu steuern. Aus seinem früheren Schuldenreich, das 2011 in die Pleite rutschte und mit einem milliardenschweren Notkredit gerettet werden musste, machte er wieder einen europäischen Musterstaat.
„Wir haben das niedrigste Defizit unserer Demokratie erreicht“, freute sich Costa dieser Tage im Gespräch mit der spanischen Zeitung „ABC“. In 2017 habe die Neuverschuldung des Haushaltes nur noch 1,2 Prozent betragen. In 2018 soll der Fehlbetrag bei maximal einem Prozent liegen. Das ist weit unter der im Euro-Stabilitätspakt festgelegten Grenze von drei Prozent. Hinter diesem Erfolg steckt ein riesiger Sparkraftakt – vor acht Jahren wies der Etat noch ein Minus von über elf Prozent auf. Nicht nur die Haushaltsprobleme hat das frühere Sorgenkind Europas, das lange Zeit als EU-Armenhaus galt, hinter sich gelassen. Auch die Wirtschaft boomt. Und zwar sehr viel mehr, als alle Prognosen der EU und des Internationalen Währungsfonds vorausgesagt hatten. Mit einem üppigen Wachstum von 2,7 Prozent in 2017 lag das Land der Korkeichen und Eukalyptusbäume über dem mittleren EU-Schnitt, der nach vorläufigen Zahlen auf 2,2 Prozent geschätzt wird. Sogar Europas Schwergewicht Deutschland, das in 2017 nur durchschnittlich wuchs, kommt da nicht mit.
Auch alle anderen Wirtschaftszahlen in Portugal weisen nach oben. Kräne, die sich allerorten in der Hauptstadt Lissabon über Neubauprojekten und Altbausanierungen drehen, symbolisieren sichtbar den bemerkenswerten Aufschwung. Die Investitionen fließen wie schon lange nicht mehr in die pittoreske Großstadt am Fluss Tajo, der in Lissabon in den Atlantik fließt.
Beliebt bei Deutschen und Briten
„Portugal ist wieder Mode“, titelte gerade das nationale Blatt „Publico“. Die ausländischen Touristen stürmen wie noch nie das Land. Die Algarveküste und Lissabon stehen besonders hoch im Kurs. Zwölf Prozent mehr internationale Urlauber kamen in 2017, insgesamt waren es nahezu 13 Millionen Touristen. Briten und Deutsche führen die Liste der ausländischen Besucher an. Sie werden angezogen von immer noch vergleichsweise günstigen Preisen, traumhaften Stränden und der berühmten portugiesischen Meeresküche.
Reize, denen sich auch US-Sängerin Madonna nicht verschließen konnte. Sie ließ sich im vergangenen Jahr in Lissabon nieder. „Die Energie Portugals ist so inspirierend“, schrieb begeistert die 59-Jährige im sozialen Netzwerk Instagram.
Aber vermutlich inspirierte auch die Steuergesetzgebung. Denn Portugal lockt ausländische Residenten mit attraktiven fiskalischen Vorteilen. Plötzlich ist Portugal mit seinen 10,4 Millionen Einwohnern nicht mehr der kleine Bruder des großen Nachbarlandes Spanien. Die Arbeitslosenzahl sank inzwischen, dank des portugiesischen Wirtschaftswunders, auf unter acht Prozent. In Spanien stehen derweil immer noch 16 Prozent der aktiven Bevölkerung auf der Straße.
Vielleicht half den Portugiesen, dass sich ihr Ministerpräsident Costa im Zuge seiner Haushaltsplanung von milliardenschweren Prestigeprojekten verabschiedete. Er sorgte stattdessen dafür, dass die Familien wieder mehr Geld in die Tasche bekamen. Steuererhöhungen, Lohnund Rentenkürzungen, welche die Troika der internationalen Kreditgeber durchgesetzt hatte, machte er wieder rückgängig. Wenn die Menschen mehr Geld zu Verfügung haben, so lautete sein Kalkül, werden sie auch wieder mehr ausgeben und so die Binnenwirtschaft ankurbeln – und er behielt recht.