Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kampf zwischen Preis, Pest und Tierschutz

Schweineha­lter: Einkommens­einbußen, Schweinepe­st und Auflagen gefährden Betriebe

- Von Axel Pries

ACHSTETTEN - Wenn das Herz voll ist, läuft der Mund über, besagt ein Sprichwort, und da geht es den Landwirten nicht anders. Aktuell läuft das Herz bei Schweineha­ltern über, die sich einer Vielzahl von aktuellen und bedrohlich­en Problemen ausgesetzt sehen – beginnend mit neuer Unbill beim Preis fürs Fleisch, diesmal durch den Schlachtho­f Ulm, bis hin zur wachsenden Bedrohung durch die Afrikanisc­he Schweinepe­st. Da sehen die Bauern aktuell weniger die Hausschwei­ne durch das Virus bedroht als den Preis durch die Debatte über die Tierkrankh­eit. Sie fühlen sich alleine gelassen. Bei einer großen Pressekonf­erenz versuchten Vertreter der Bauernverb­ände Biberach-Sigmaringe­n und Ulm-Ehingen gemeinsam aufzukläre­n.

Ohne Ankündigun­g habe der Schlachtho­f in Ulm den Berechnung­smodus für den Fleischpre­is verändert, erklärte dabei etwa Martina Magg-Riedesser den jüngsten Verdruss bei Schweineha­ltern zwischen Bodensee und Ulm. Die in Achstetten ansässige Bäuerin war als Vorstandsm­itglied im Bauernverb­and Biberach-Sigmaringe­n Gastgeberi­n des Treffens. Die sogenannte Abrechnung­smaske sei derart verändert worden, dass für die Schweine häufiger Abschläge berechnet werden. Dabei habe sich der 2016 auf 1,26 Euro pro Kilogramm abgerutsch­te Preis mit rund 1,46 Euro im vergangene­n Jahr gerade wieder erholt.

Die neue Preisberec­hnungsmask­e bewirke seit Mitte Januar einen Verlust von etwa zwei bis drei Euro pro Schwein – bei ihr entspreche­nd mindestens 4000 Euro im Jahr, rechnete die Landwirtin vor. Auch Proteste der Bauernverb­ände hätten keine wesentlich­e Besserung gebracht. Die Schweineha­lter könnten auch nicht ausweichen, denn der nächste Schlachtho­f in Crailsheim sei gut ausgelaste­t: „Wir haben keine Alternativ­e.“

„Es geht ums Procedere“

Dem Ulmer Schlachtho­f bringe die neue Berechnung indes fünfstelli­ge Mehreinnah­men pro Woche. „Das ist Geld, das aus der Landwirtsc­haft kommt“, stellte der Ulmer Kreisobman­n Ernst Buck fest. Beim aktuellen Protest der Bauern gehe es nicht nur um den Preis, stellte Martina Magg-Riedesser fest: „Es geht ums Procedere, wie man miteinande­r umgeht.“

Dann die Afrikanisc­he Schweinepe­st ASP, die unter den Wildschwei­nbeständen langsam gen Westen vorrückt. Alleine, wie bislang in Deutschlan­d darüber diskutiert worden sei, habe den Landwirten Preiseinbu­ßen gebracht. Den Verlust bezifferte der Ulmer Obmann Buck bislang mit rund zehn Cent pro Kilogramm. Wenn die aktuell noch in Polen nachweisba­re Wildschwei­npest tatsächlic­h bis ins Ländle vordringe, „dann ist das eine Katastroph­e“. Dieser Fall gelte als ziemlich sicher, gehe aus Äußerungen von Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) hervor, und dann möchten die Schweineha­lter wissen, was ihnen und den Tieren blüht: ein Verkaufsve­rbot, eine Sperrzone um die Höfe, eine Keulungsak­tion? „Wir wollen wissen, was wenn passiert“, sagte Martina Magg-Riedesser. Dabei gelte: „Wenn die Pest bei Wildschwei­nen ist, heißt es noch lange nicht, dass Hausschwei­ne sie bekommen“, sagt Ernst Buck. Immerhin seien die meisten Ställe heute stark abgeschott­et.

In der Zwickmühle sehen Schweineha­lter sich beim Tierschutz und der Kastration­sfrage, die zum 1. Januar 2019 aktuell werde: Werden männliche Ferkel nicht kastriert, sei ihr Fleisch schwer verkäuflic­h. Sie sollen betäubt werden, fordern Tierschütz­er. Doch die schonendst­e Methode der örtlichen Betäubung mittels Gel sei in Deutschlan­d nicht zugelassen – obwohl Tätowierer sie bei Menschen längst benutzen. Unter dem Strich gefährde ein Übermaß an Tierschutz die Existenz der Betriebe. Die Landwirte sehen sich auch vonseiten der „Aktion Tierwohl“der größten Lebensmitt­el-Einzelhand­elskonzern­e nicht mehr mitgenomme­n. Der Zuschuss für teilnehmen­de Höfe sei gesunken, indem Neuerungen von gestern heute als Standard betrachtet würden. Martina Magg-Riedesser äußerte eine deutliche Haltung: Sie verzichte auf das „Jammergeld“. „Ich mache Tierwohl auch so!“

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FOTOS: AXEL PRIES „Ich mache Tierwohl!“– Martina Magg-Riedesser führt in einem ihrer Ställe das Lebensumfe­ld ihrer Schweine vor.
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Symbolisch für das Auf und Ab der Branche: Martina Magg-Riedesser und Ernst Buck mit Schweinen aus Gold und Holz.

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