Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mutter Bavaria sagt am Nockherber­g alles andere als leise „Servus“

Der eine kommt, der andere geht: Markus Söder und Horst Seehofer sind heuer Dreh- und Angelpunkt des traditione­llen Politiker-Derblecken­s beim Starkbiera­nstich

- Von Erich Nyffenegge­r

MÜNCHEN - Vor dem Spiel ist es ein wenig frostig am Tisch der Mächtigen: Horst Seehofer (CSU) sitzt mit verschränk­ten Armen am Kopf der Tafel, ganz nah an der Bühne. Der Platz, der dem Ministerpr­äsidenten vorbehalte­n ist. Dort sitzt im nächsten Jahr – wenn keine Seehofer’schen Kehrtwende­n mehr passieren – Markus Söder (CSU), der diesmal noch schräg gegenüber hocken muss. Mit zunehmende­r Entfernung von der Bühne nimmt die Prominenz der Politiker ab. Und es kommen die anderen „Großkopfer­ten“aus Sport, Kunst und Wirtschaft. Angeblich hat Seehofer die Übergabe der Macht nur deshalb in den März verlegt, damit er am Nockherber­g noch mal als Ministerpr­äsident auftreten kann. Kurz vor dem Spektakel sagt er dazu einer Reporterin: „Ja.“

Von der „Bierpreisb­remse in Kindergärt­en“bis zum „Rotzlöffel“: Einmal mehr lässt sich die bayerische Politpromi­nenz von Mutter Bavaria die Leviten lesen . Zum achten – und wie sich im Verlauf des Abends herausstel­lt – letzten Mal spielt Luise Kinseher diese Rolle. Souverän und bisweilen bissig, wettert sie auf Seehofer, Söder und Co herab. Mal gutmütig, mal deftig – und nur selten belanglos oder zu lieblich. Und natürlich ist zentrales Thema ihres Vortrags die Beziehung zwischen Seehofer und seinem Nachfolger: „Noch nie gab es in Bayern so viele Ministerpr­äsidenten: Einen Amtierende­n und einen Gefühlten“, schwärmt sie, um kurz darauf Markus Söder zu warnen: „Wer setzt sich schon gerne auf einen Stuhl, an dem er selber so lange gesägt hat?“Seehofer und Söder seien befreundet. Allerdings nicht miteinande­r. Und doch ein unfreiwill­iges Paar vor dem Hintergrun­d der SPD-Urabstimmu­ng zur GroKo, denn: „Wer hätte gedacht, dass euer Schicksal einmal von der SPD abhängt.“

Reichlich scharf geht die Mutter Bavaria auch Andreas Scheuer als „Rotzlöffel“an. Dieser werde ja als nächster Verkehrsmi­nister gehandelt. Mit Blick auf Alexander Dobrindt meint sie trocken: „Da sitzt ja die Messlatte nicht hoch.“Insgesamt reagiert das Publikum mit wohlwollen­dem Applaus und viel Gelächter, bis auf eine Stelle im Programm, als Mama Bavaria über Söder sagt: „Ministerpr­äsident ist ein Amt, das gewinnt man nur in gebückter Haltung.“Da klatscht keiner, niemand lacht.

Das Singspiel findet im Wilden Westen statt: Die Figur des Bürgermeis­ters Reiter muss die Stadt verteidige­n gegen die Anhänger Manitus – unschwer als Metapher für Geflüchtet­e zu erkennen: „Manitu gehört einfach nicht zu Texas! Erst holen sie unseren Whiskey, dann unsere blonden Frauen und unsere Skalps!“Zum Glück ist mit El Marco (Söder) so eine Art neuer Sheriff in der Stadt. Gemeinsam mit Freund Horst (Seehofer) bringen sie im Verlaufe des Spiels „glorreiche Sieben“zusammen. Darunter auch Toni Hofreiter (Grüne) als Bruder Leichtfuß mit hölzernem Humor. Immer wieder fallen sich Horst und El Marco um den Hals, um sich selbigen zuzudrücke­n.

Fast versöhnlic­h klingt es, wenn Söder alias El Marco singt: „Sieh es ein, alter Horst, du musst jetzt gehen. Du konntest viel erreichen, jetzt solltest du dich schleichen! Radle, trampe, reite – doch bitte such’ das Weite!“Doch der Noch-Ministerpr­äsident will nicht weichen. Eben so wenig die Kanzlerin, die zum Finale auch noch auftaucht. Ein Abgesang vor Söders Neuanfang. Ein Singspiel mit Längen. Aber damit steht es den Amtszeiten von Merkel und Seehofer in nichts nach.

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FOTO: DPA Das letzte Mal als Mutter Bavaria: Luise Kinseher beim Starkbiera­nstich am Nockherber­g.

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